Österreichs Städte wollen keine nationale Buchungsplattform

am . Veröffentlicht in Städte- und Kulturtourismus

Die "ARGE Städte" - die Tourismuskooperation der österreichischen Landeshauptstädte und der Bundeshauptstadt Wien - legte im Rahmen einer Pressekonferenz in Graz Zahlen zur rasanten Entwicklung des Städtetourismus in Österreich vor. Gleichzeitig bezog man eindeutig Stellung zu aktuellen Strömungen und Ideen.

Der österreichische Tourismus legte seit dem Rekordwert des Jahres 1992 bei den Gäste-Nächtigungen um 0,5 Prozent zu. Im Vergleich dazu stiegen die Nächtigungen in den Landeshauptstädten inkl. der Bundeshauptstadt im Zeitraum 1992 bis 2012 um 62,5 Prozent. Österreichs positive Tourismusbilanz ist auch auf die Dynamik der Städte zurückzuführen.

"Der gesamte österreichische Tourismus profitiert von der Entwicklung in den Landeshauptstädten", betonte Norbert Kettner, Geschäftsführer von WienTourismus und Vorsitzender der ARGE Städte, angesichts der großen Kluft zwischen der Nächtigungsentwicklung der Städte und "Rest"-Österreichs. Gemeinsam mit Dieter Hardt-Stremayr, Geschäftsführer von Graz Tourismus, präsentierte er die aktuellen Zahlen.

Keine Eintagsfliege: Städte-Boom als Tourismus-Turbo

"Der Boom im Städtetourismus ist keine Eintagsfliege, sondern Realität in Europa und damit auch in Österreich", erklärte Kettner. "Rund 131 Mio. Nächtigungen in Österreich im Jahr 2012 sind eine erfreuliche neue Bestmarke, die sogar den letzten Höchststand aus dem Jahr 1992 übertrifft. Das wäre allerdings ohne die rund 18,8 Mio. Nächtigungen aus den Landeshauptstädten nicht zu schaffen gewesen." Der Anteil der Landeshauptstädte an den gesamtösterreichischen Nächtigungen betrug 2012 14,4 Prozent, 1992 waren es noch 8,9 Prozent.

Stiegen die Nächtigungen in Österreich - die Landeshauptstädte mit eingerechnet - von 1992 bis 2012 um 0,5 Prozent, so hätte sich ohne Städte sogar ein Minus von 5,5 Prozent ergeben, und das Rekordergebnis aus 1992 wäre nicht erreicht worden. Die Zuwächse in den Landeshauptstädten lagen im Vergleichszeitraum bei durchschnittlichen 62,5 Prozent (in Wien bei 78,2 Prozent, in Graz bei 64,8 Prozent). "Noch nie haben die Städte so viel zum Tourismusergebnis beigetragen - Wien und die Landeshauptstädte erweisen sich als Österreichs Tourismusturbo, wobei die Bundeshauptstadt vom Volumen her das stärkste Zugpferd ist", so Kettner.

Risikostreuung durch Internationalisierung

Der Städtetourismus gelte auch als Seismograph für den Gesamttourismus: Veränderungen in der Kaufkraft der Herkunftsmärkte seien im Segment des Städtetourismus am schnellsten und stärksten spürbar.

Doch wie sieht er aus, der typische Städtegast? Kettner fasst zusammen: "Rund vierzig Jahre alt, sehr gut gebildet und mit überdurchschnittlich hohem Haushaltseinkommen, das sich auch bei den Ausgaben niederschlägt, die in der Stadt weit höher sind als auf dem Land. Zudem sind die Städtetouristen internationaler als der 'herkömmliche' Österreich-Urlauber. Stammt dieser noch zu 68 Prozent aus den Ländern Österreich, Deutschland und der Schweiz, sind beispielsweise mehr als 81 Prozent der Wien-BesucherInnen Gäste aus dem Ausland bzw. knapp 60 Prozent der Gäste von außerhalb der D-A-CH-Region."

Breche ein Herkunftsmarkt ein, sei das verminderte Gästeaufkommen viel einfacher durch das Aufkommen aus anderen Märkten zu kompensieren. "Die einzigen Destinationen, die gemeinsam mit der Österreich Werbung konsequent internationales Tourismusmarketing betreiben, sind die Landeshauptstädte - und das Ergebnis daraus spiegelt sich auch in einem soliden, internationalen Gästemix wider", so Kettner.

Kettner: "Nationale Buchungsplattform ginge am Bedarf vorbei"

Internationalität statt einer österreichischen Insel-Lösung sieht Kettner auch als Erfolgsrezept in Bezug auf die derzeitige Diskussion einer nationalen Online-Buchungsplattform. "Nur weil etwas technisch möglich ist, heißt das lange noch nicht, dass es auch sinnvoll ist. Das Internet ist ein globales, grenzüberschreitendes Medium und eine entgrenzte Denkweise würde auch der aktuellen Diskussion in Österreich gut tun. Eine Buchungsplattform, die Erfolg haben soll, muss eine supranationale Lösung sein und darf heutzutage nicht vor Landesgrenzen Halt machen, sonst bleiben die UserInnen aus. Wir sollten die zur Verfügung stehenden Mittel nicht für ein österreichisches Facebook ausgeben, das Geld wäre anderswo im Tourismusmarketing viel besser aufgehoben", so Kettner. Die Rolle der Tourismusorganisationen sieht er viel mehr als jene eines "Content Brokers", also Vermittlers jener Informationen, die schließlich zur Buchung führen.

Trends und neue Geschäftsmodelle im Städtetourismus

Österreichs Landeshauptstädte profitierten vom generellen Trend zu Städtekurztrips als Zweit- oder Dritturlaub. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer liege bei rund 2 Tagen (2,2 in Wien, 1,9 Tage in Graz), die Buchungen dafür würden immer kurzfristiger.

Weitere Pluspunkte seien die Nähe der Städte zu Flughäfen, die vielfach auch von Low Cost Carriern angeflogen werden, zudem sei der Städtetourismus weit weniger wetterabhängig. Tatsache sei, dass Österreichs Städte mit ihrem kulturellen Angebot, ihren schönen Altstädten und ihrer steten Weiterentwicklung selbst das mächtigste Argument für eine positive Reiseentscheidung seien.

"Dazu kommt, dass Städtetourismus auch nachhaltig ist, weil er Ressourcen schont: Die Gäste einer Stadt suchen jene Angebote, die auch von den BewohnerInnen der Stadt selbst nachgefragt werden. Ihr Wunsch nach einem authentischen Urlaubserlebnis - das Motto lautet hier "live like a local" - erspart es den Städten somit, Mittel für konstruierte Urlaubserlebnisse oder potjomkinsche Dörfer zu verschwenden," so Kettner. Auffällig sei zudem, dass viele Städtetouristen selbst aus urbanen Gebieten stammten und es vor allem Städter seien, die Städte besuchen. Bei weltweit zunehmender Urbanisierung bedeute dies auch für die Zukunft ein weiter wachsendes Gästepotential.

Die Entwicklung in den österreichischen Landeshauptstädten spiegele den aktuellen Trend im internationalen Städtetourismus wider: Die urbanen Destinationen verzeichneten schon über viele Jahre hin eine überaus dynamische Entwicklung. Die Zuwächse im Städtetourismus überträfen die Steigerungen im Erholungstourismus bei weitem und die Städte leisteten daher einen wesentlichen Beitrag zur landesweiten Tourismusentwicklung.

Die ersten Vergleichszahlen aus europäischen Städten über die Tourismusentwicklung im Jahr 2012 zeigten, dass die Nächtigungen aus den internationalen Herkunftsmärkten deutlich stärker gestiegen sind als jene aus den jeweiligen Inlandsmärkten. Europäischer Spitzenreiter bei den internationalen Nächtigungen ist nach wie vor London mit knapp 37 Millionen vor Paris mit rund 23,5 und Rom mit 16,2 Millionen internationalen Nächtigungen. Im absoluten Spitzenfeld befindet sich auch Wien (Greater Vienna) mit rund 9,8 Millionen. Dabei ist bemerkenswert, dass Wien bei den internationalen Nächtigungen vor Berlin liegt. Das sind auch die beiden Städte mit dem stärksten Wachstum im Sample (+ 11,2 Prozent Berlin; +7,2 Prozent Wien).

Prognose

Die USA, Großbritannien und Deutschland seien für die europäischen Städte nach wie vor die größten Herkunftsmärkte. Diese Märkte konnten auch im Jahr 2012 wiederum zulegen. Japan zeige nach einem leichten Rückgang im Jahr 2011 wiederum einen deutlichen Zuwachs im zweistelligen Bereich.

Allerdings habe der russische Markt Japan in der Zwischenzeit überholt und auch China befinde sich nach wie vor in dynamischer Aufwärtsentwicklung; +18,1 Prozent am russischen bzw. +20,7 Prozent am chinesischen Markt sprächen hier eine deutliche Sprache. Auf dem spanischen und italienischen Herkunftsmarkt zeigten sich die wirtschaftlichen Probleme allerdings auch deutlich im Reiseverhalten. Durch die breite Streuung der Herkunftsmärkte in den Städten konnte die positive Gesamtbilanz dadurch aber nicht wirklich beeinträchtigt werden.

"Im Jahr 2012 sind die internationalen Nächtigungen beinahe doppelt so stark gestiegen wie die Gesamtnächtigungen in den europäischen Städten. Am höchsten waren die Zuwächse in Ländern wie Russland und China, was wiederum belegt, welches Potential diese Märkte in Zukunft haben werden und welche Bedeutung diese Märkte in vielen europäischen Städten bereits haben", meint dazu der Präsident von European Cities Marketing, Dieter Hardt-Stremayr. (Schluss)

www.graztourismus.at
www.wien.info

Tags: Land: Österreich
Städte: Wien
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