dwif-Corona-Kompass: Rund 69 Mrd. Euro Verlust in den Tourismusdestinationen
Nach aktuellen Berechnungen der Tourismusberatung dwif beläuft sich der Umsatzausfall in den Destinationen in Deutschland für den Zeitraum März bis Dezember 2020 auf 68,7 Mrd. Euro. Eine verheerende Bilanz. Der Tages- und der Übernachtungstourismus sind davon fast gleichermaßen betroffen. Die aktuellen Ergebnisse wurden am 09. Februar 2021 im Rahmen der Online-Reihe „dwif-Impulse“ präsentiert – mehr als 300 Touristiker*innen waren live dabei. Mit Norbert Kunz (Geschäftsführer DTV) sprach das dwif zudem über Perspektiven für den Deutschlandtourismus.
Die Tourismusbranche sieht sich demnach aufgrund der durch das Coronavirus ausgelösten Krise weiterhin enormen Herausforderungen gegenüber. Die Nachfrage ist eingebrochen, dann hat sie wieder angezogen und ist nun erneut eingebrochen. Existenzen stehen auf dem Spiel und weitere Einschränkungen sind auch für die nächsten Monate absehbar.
Der Blick auf die unterschiedlichen Phasen von Lockdown und Recovery zeigt ein differenziertes Bild: Der Umsatzausfall in den Monaten März, April, Mai sowie November und Dezember 2020 (stark von den Lockdowns betroffene Monate) umfasst demnach zusammen 50,8 Mrd. Euro mit einem etwas stärkeren Anteil durch den Tagestourismus.
Im Zeitraum Juni bis Oktober 2020 kamen weitere 17,9 Mrd. Euro hinzu, allerdings mit einem Schwerpunkt im Übernachtungstourismus. Eine schnellere Erholung vieler Segmente im Tagestourismus und Kompensationseffekte zu ausgefallenen Urlauben insbesondere in den Sommerferien sind mögliche Erklärungsansätze.
Details zum dwif-Corona-Kompass im Überblick
Übernachtungsnachfrage: Strukturumkehr im Deutschlandtourismus
Rund 169 Mio. gewerbliche Übernachtungen weniger als im Vorjahreszeitraum. Das ist die Bilanz der Monate Januar bis November 2020 (Zahlen für den Dezember liegen für die einzelnen Reisegebiete noch nicht vor). Seit November befindet sich die Branche wieder im Lockdown und die Übernachtungsrückgänge im Zeitraum Januar bis November 2020 liegen in den Bundesländern zwischen 16 und 62 Prozent.
In den Küstendestinationen fallen laut dwif die Nachfragerückgänge moderater als in anderen Destinationstypen aus, lokal gab es teilweise sogar Zuwächse durch die Sommersaison. Die Städte (als bisherige Boom-Regionen im Deutschlandtourismus) verlieren weiter überdurchschnittlich. Auch in den Herbstferien (Oktober 2020) gab es einige Regionen mit positiven Entwicklungen (z. B. Rügen/Hiddensee mit +19 Prozent) bei der Übernachtungsnachfrage, während der Motor in den Städten immer noch nicht wieder ansprang (z. B. Berlin mit -71 Prozent).
Gleichzeitig halte der hohe Rückgang der Übernachtungen deutscher Gäste im Ausland und ausländischer Gäste im Inland aufgrund der internationalen Reisebeschränkungen weiter an und die Schere zwischen Ferienregionen und Städten geht weiter auseinander. Insgesamt bleibe daher die Marktentwicklung durch Reisewarnungen, Lockdown und Ängste potenzieller Reisender sehr labil. Die derzeit fehlende echte Perspektive führt zu einer zusätzlichen Unsicherheit bei Anbieter*innen ebenso wie bei Nachfrager*innen für die Planungen in den kommenden Monaten.
Gastgewerbe weiter in Existenznot
Seit dem letzten Status quo im November und der erneuten pandemiebedingten Schließung des Gastgewerbes hat sich sowohl die Stimmung als auch die finanzielle Lage der Betriebe im Gastgewerbe weiter verschlechtert. Durch starke Umsatzverluste, ausbleibende Investitionen und Personalabwanderung wird die Zeit nach dem Re-Start für alle Beteiligten eine große Herausforderung.
Fokus Hotelmarkt: Nachdem die deutschen Hotelbetriebe ihre Auslastung in den letzten Jahren stetig verbessern konnten, weisen sie im Jahr 2020 einen Rückgang von 56 Prozent aus (Quelle: STR-Global). Bundesweit seien allerdings starke Unterschiede zu beobachten. Hotelbetriebe in den Küstenbundesländern Mecklenburg-Vorpommern sowie Schleswig-Holstein hatten einen Auslastungsrückgang von weniger als 40 Prozent, in Bayern und Berlin waren es hingegen über 60 Prozent. Insgesamt waren bislang die städtische Hotellerie und Betriebe an Standorten mit hoher internationaler Nachfrage überdurchschnittlich stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen.
Tagestourismus & Freizeitwirtschaft: Rückgang der Tagesreisen im Corona-Jahr 2020 um 19 %
Der Tagestourismus ist ein milliardenschweres Standbein im Deutschlandtourismus und wichtig für eine kontinuierliche Auslastung vieler Einrichtungen und Anbieter*innen. Die Rückgänge der Tagesreisen im Corona-Jahr 2020 belaufen sich nach Ergebnissen des bundesweiten dwif-Tagesreisenmonitors auf rund 19 Prozent.
Dabei stellte das dwif eine schnelle Regenerationsgeschwindigkeit mit Kompensationseffekten aus dem Übernachtungstourismus im Juli, August und September 2020 fest. Aber: Auch in der kommenden Re-Start-Phase sei mit einer Verlagerung auf „naturnahe Aktivitäten“ und Tagesausflüge im näheren Wohnumfeld zu rechnen. So verzeichneten Tagesausflüge mit den Aktivitäten Wandern oder Radfahren 2020 sogar einen absoluten Nachfragezuwachs von 25 Prozent, während die Zahl von Shopping-Ausflügen um 20 Prozent zurückging und der Besuch von Veranstaltungen um 64 Prozent einbrach. Das mindere die Wertschöpfungseffekte.
Die Freizeitwirtschaft ist durch die Lockdowns weiterhin hart getroffen. Doch wie im Gastgewerbe, gilt es auch hier genauer hinzuschauen. Saisonbetriebe sind vom zweiten Lockdown kaum beeinträchtigt. Outdoor-Einrichtungen wie Landschaftsattraktionen und Zoos/Tierparks kommen sogar am besten durch die Krise, zumindest was das Minus bei den Besucherzahlen anbelangt. Je nach Freizeitsegment liegen die Rückgänge weit gespreizt zwischen -6 und -70 Prozent.
Die dwif-Umfrage im Rahmen der Sparkassen-Tourismusbarometer Anfang Dezember 2020 zeigte: Jede 5. Freizeit- und Kultureinrichtung sieht sich in ihrer Existenz bedroht. Und auch kommunale Einrichtungen geraten zunehmend unter Druck, können mittlerweile aber auch auf Hilfsprogramme zugreifen. Nachdenklich mit Blick auf die Attraktivität und Erlebnisqualität stimmt die Aussage der Einrichtungen, dass über die Hälfte geplante Investitionen verschieben oder ganz streichen muss.
Sicher ist: Die Tourismusbranche trifft es extrem hart und sie wird eine lange Erholungsphase benötigen. Der dwif-Corona-Kompass soll Destinationen, Gastgewerbe und Freizeitwirtschaft auch weiterhin nutzenstiftende Fakten zu den Auswirkungen der aktuellen Krise liefern.
Mehr dazu hier als Download sowie hier im aktuellen Bericht.
Zum Youtube-Video der Veranstaltung.
Infografiken: dwif