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Reiseanalyse 2020: Drei Viertel haben Flugscham oder schlechtes Gewissen

am . Veröffentlicht in Statistik & Benchmarks

CMT, Messebild

 

Zum Jahresbeginn 2020 hat die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V. (FUR) für die CMT in Stuttgart eine erste vorläufige Bilanz des Tourismus in 2019 erstellt und die touristischen Trends des neuen Jahres ermittelt.

Der internationale Tourismus wuchs 2019 um rund 4% [Quelle: UNWTO, ETC]. Weltweit wird die Zahl der Ankünfte von internationalen Gästen voraussichtlich bei 1,45 Mrd. liegen. Jedes Jahr ein neuer Rekord, so lautet hier seit 2010 die Regel. Auch der Deutschlandtourismus hat sich positiv entwickelt. In den ersten zehn Monaten des Jahres erhöhte sich die Zahl der Gästeübernachtungen im Inland im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um knapp 4% auf 432 Mio. [Quelle: Daten des Statistischen Bundesamtes]. Davon entfielen etwa 18% auf ausländische Gäste; die Steigerungsrate lag hier mit 2% unter der der Inländer (4%). Für 2019 kann man insgesamt mit ca. 495 Mio. Übernachtungen in Deutschland rechnen.

Für den Bereich der Urlaubsreisen der Deutschen erwartet die FUR nach den vorläufigen Daten auf der Basis der RA online vom Jahresende für 2019 ein hohes Niveau der Nachfrage mit einem Volumen von ca. 71 Mio. Urlaubsreisen (+ 1% zum Vorjahr) und eine Steigerung der Ausgaben für Urlaubsreisen auf ca. 73 Mrd. Euro (+ 3%). Die erwartete Zahl der Kurzurlaubsreisen (Dauer zwei bis vier Tage) liegt bei 92 Mio. (konstant zum Vorjahr) [Quelle: Trendabschätzungen auf der Basis der RA 20, online Erhebung im Nov. 19]. Stabilität auf hohem Niveau, das kennzeichne quantitativ die Urlaubsnachfrage der Deutschen.

Auf der Seite der Touristik gab es 2019 spektakuläre Entwicklungen, namentlich die Insolvenz von Thomas Cook. Flugreisen und Kreuzfahrten legten nach Branchenangaben zu.

Startbedingungen für 2020

Die Indikatoren für die touristische Nachfrage im Jahr 2020 zeigten (wieder) eine positive Ausgangsposition. Bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung sind die Deutschen im Hinblick auf die eigene Situation positiv gestimmt, wenn auch etwas verhaltener als im Vorjahr: 22% erwarten, dass sich ihre persönliche wirtschaftliche Situation in einem Jahr verbessert haben wird; ebenfalls 22% befürchten eine Verschlechterung. Die restlichen 57% sehen keine Veränderung. Die insgesamt als stabil wahrgenommene individuelle wirtschaftliche Situation sei eine wichtige Vorbedingung für den Urlaubstourismus 2020.

Mit Urlaubsreisen 2020 hätten sich bereits vier von fünf Deutschen (78%) gedanklich beschäftigt. Ob jemand tatsächlich eine Reise antritt, ist dann eine Frage des Könnens (Zeit und Geld?) und des Wollens (Urlaubslust?). Die Urlaubslust sei mit 57% leicht gestiegen, auch die Faktoren Zeit (66%) und Geld (62%) werden günstiger als im Vorjahr eingeschätzt. Insgesamt drückten diese Ergebnisse eine positive Urlaubsstimmung aus, die nachfrageseitig gute Startbedingungen für 2020 signalisiere [Quelle: RA 20 online, Erhebung im Nov. 19].

Urlaubsreisen 2020

Das Gesamtbild der Urlaubsreisen werde sich 2020 von 2019 kaum unterscheiden, sowohl bei den Reisezielen als auch bei den Reisearten. Dafür sprechen die geäußerten Präferenzen. Deswegen werden auch 2020 Urlaubsreisen in Deutschland mit etwa 30% den ersten Platz der Hitparade einnehmen. Es folgen Spanien, Italien, die Türkei und Österreich. Kroatien und Griechenland spielen in der Top-Liga mit [Quelle: Trendabschätzungen auf der Basis der RA 20 online, Erhebung im Nov. 19].

Das konstante Gesamtbild darf nicht über die individuelle Flexibilität und die Neigung der Urlauber zur Abwechslung hinwegtäuschen: 42% planen, in diesem Jahr ein Ziel zu besuchen, in dem sie noch nicht gewesen sind [Quelle: RA 20 online, Erhebung im Nov. 19].

Es werde aber auch deutlich, dass den Urlauber viele von den zahlreichen touristischen Angeboten zusagten. Sie seien multioptional, hätten mehr Wünsche und Interessen als sie in einem Jahr in eine Reise umsetzen könnten. Das sichere die Nachfrage grundsätzlich, erhöhe aber den Wettbewerb in der Branche und mache Entwicklungen im Detail schwer vorhersagbar.

Nachhaltigkeit, Flugscham und die Urlaubsreisen

Nachhaltigkeit ist in Deutschland und der Welt ein wichtiges Thema geworden, das immer mehr Beachtung findet, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimawandels. Der Tourismus steht hier zunhemend in der Kritik. So seien bestimmte Angebote wegen ihrer Emissionen oder den entstehenden sozialen Belastungen fragwürdig oder der Urlaub wird gar als verzichtbar eingestuft.

Die Ergebnisse der Reiseanalyse zu diesem Thema zeigten, dass ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Urlaub vielen Deutschen wichtig seien. Diese Einstellung werde von immer mehr Menschen geteilt. Allerdings gebe es zahlreiche andere Einflussfaktoren auf die Reiseentscheidung und das Reiseverhalten. Die Mehrheit der Touristen mache eine Urlaubsreise vor allem, um schöne Ferien zu verbringen. Nachhaltigkeit sei eine dabei zu berücksichtigende Reise-Bedingung, die von vielen Touristen als wichtig angesehen werde, und die von manchen auch bei einer konkreten Reise aktiv ins Kalkül gezogen werde.

Neu hinzugekommen ist im Jahr 2019 der Begriff der „Flugscham“. Ein großer Teil der Flugreisenden (73%) berichtet ein mehr oder weniger starkes schlechtes Gewissen wegen der Klimabelastung zu haben. Nur 27% teilten dieses Gefühl nicht [Quelle: RA 20 online, Erhebung im Nov. 19]. Hier gebe es einen „Wertewandel“. Die Flugscham sei der Ausdruck eines inneren Konfliktes, nicht dessen Lösung. Eine aufgrund von Flugscham kurzfristig stark sinkende Zahl von Urlaubsreisen mit dem Flugzeug sei nicht zu erwarten, wohl aber eine höhere Bereitschaft zu Kompensationszahlungen.

Camping & Caravaning

Etwa 3,8 Mio. Urlaubsreisen werden pro Jahr mit dem Wohnwagen oder dem Wohnmobil unternommen, mit Zelturlauben seien es sogar 5 Mio. Hinzu kommen dann noch ca. 4 Mio. Camping-Kurzurlaubsreisen. Langfristig wachse das Interesse am Caravaning-Urlaub: Für die Zukunft interessierten sich 12% (2002: 5%) der Bevölkerung für eine Reise mit dem Wohnmobil, rund 10% (2002: 5%) denken demnach an einen Wohnwagenurlaub [Quelle: RA19, RA 20].

Gesundheits- & Wellnessurlaub

Etwa 4,6 Mio. Urlaubsreisen werden pro Jahr als Gesundheits- und/oder Wellnessurlaub gemacht. Besonders stark sei der Wellnessurlaub bei den Kurzreisen (6,4 Mio.). Die Potenziale für diese Urlaubsformen seien hoch (18% interessieren sich für Wellness-, 15% für Gesundheitsurlaub in der nahen Zukunft) und noch lange nicht ausgeschöpft [Quelle: RA19, RA 20].

Quellmarkt Baden-Württemberg

Über 9 Mio. von den insgesamt 71 Mio. Urlaubsreisen kämen aus dem Quellmarkt Baden-Württemberg. Überdurchschnittlich hoch sei hier der Anteil der Auslandsreisen (79% der Urlaubsreisen aus Baden-Württemberg; alle Urlaubsreisen: 73%). Neben Reisen ans Mittelmeer (41%) und in die Alpen (12%) bevorzugen die Baden-Württemberger auch Fernziele (10%). Dabei ist das Land auch ein wichtiges Ziel für die eigene Bevölkerung: 4% der Urlaubsreisen der Baden-Württemberger finden innerhalb des Bundeslandes statt. Damit stammen 22% der Urlaubsgäste aus dem eigenen Land, nach NRW der zweitwichtigste Quellmarkt im Inland. Somit erhöhe alles, was für Touristen in Baden-Württemberg getan wird, auch die Lebensqualität der eigenen Bevölkerung. Bei den Kurzurlaubsreisen zeigten sich die Baden-Württemberger ebenfalls aktiv: ca. 12 Mio. waren es 2019, 13% der Nachfrage aus Deutschland [Quelle: RA19, RA 20].

Ausblick

Für 2020 seien die Vorzeichen in der Reisewelt insgesamt klar positiv. Das Verreisen ist den Deutschen eine liebgewonnene Gewohnheit. Die Urlaubslust sei schon jetzt ausgeprägt. Das spreche für eine zumindest stabile Nachfrage nach touristischen Leistungen. Die Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit und das wachsende Bewusstsein dafür auf der Kundenseite könnten die Veränderungen im Tourismus mit prägen, jedoch im Sinne einer Evolution nicht in plötzlichen Brüchen.

Pauschal- und Bausteinreisen werden weiterhin ihren Stellenwert behalten, auch die „Hitparade“ der Reiseziele in etwa gleich bleiben. Das bedeute allerdings nicht, dass jeder touristische Anbieter positive Zahlen schreiben werde. Dafür sei die Konkurrenz zu stark und die Flexibilität der Kunden zu groß. Die Kunden seien kundig, reiseerfahren, anspruchsvoll, und multioptional. Insgesamt bleibe der Wettbewerb hart, sowohl um die Aufmerksamkeit der potentiellen Gäste als auch um ihre Reisen.

www.reiseanalyse.de/

Bild: Messe Stuttgart / CMT

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