Experimentelle Archäologie: Baubeginn an der Karolingischen Klosterstadt

am . Veröffentlicht in Städte- und Kulturtourismus

Der Burgbau in Guedelon in Frankreich gilt als so eine Art Prototyp der auch touristisch erfolgreichen experimentellen Archäologie. In Meßkirch soll jetzt nichts geringeres als der berühmte Klosterplan von Sankt Gallen umgesetzt - sprich gebaut - werden.

Der Verein „Karolingische Klosterstadt" plant in Anlehnung an den Klosterplan, den Bau einer Klosterstadt der Karolinger Zeit. Der Plan, entstanden Anfang des 9. Jahrhunderts auf der Bodenseeinsel Reichenau und seit ca. 830 n. Chr. In der Stiftsbibliothek von Sankt Gallen verwahrt, ist die älteste erhaltene Bauzeichnung zwischen der Antike und dem Mittelalter.    

Der Klosterplan wurde nie in seiner Gesamtheit in die Tat umgesetzt. Jetzt, fast 1.200 Jahren nach der Entstehung, soll der Plan in einer Bauzeit von rund 40 Jahren entstehen - ausschließlich mit den Mitteln des 9. Jahrhunderts, also völlig ohne Maschinen. Alle Baumaterialien (Stein, Lehm und Holz) würden direkt auf der Baustelle gewonnen. Jetzt wurde das erste Bauholz - finanziert aus Fördermitteln übergeben.

Betreten der Baustelle erwünscht

„Mit dem Bau der Karolingischen Klosterstadt greifen die LEADER-Aktionsgruppe Oberschwaben, die Stadt Meßkirch und der Verein Campus Galli ein einzigartiges Projekt auf, das mit einer geschätzten Bauzeit von 40 Jahren generationenübergreifend geplant ist. Die Idee, mit den Handwerkstechniken des Mittelalters und einem 1200 Jahre alten Plan ein Kloster zu errichten, ist außergewöhnlich“, sagte Tourismus- und Verbraucherminister Alexander Bonde in Meßkirch (Landkreis Sigmaringen). Der Landesbetrieb ForstBW stelle das Eichen- und Eschenholz zur Verfügung, das für den Bau der Unterkünfte für die Bauleute und der Notkapelle bestimmt sei.

Die Grundlagen für den Bau der Klosterstadt würden mit 450.000 Euro aus Mitteln des europäischen LEADER-Programms geschaffen. Die LEADER-Arbeitsgruppe Oberschwaben habe sich entschieden, das Vorhaben mit der Stadt Meßkirch und dem Verein Campus Galli mit zu tragen. „Ein Projekt mit einer 40jährigen Bauzeit ist einerseits ein gewisses Wagnis und eine mutige Entscheidung. Andererseits steht es sinnbildlich für das Programm LEADER, das den Aktionsgruppen die Möglichkeit einräumt, selbst über innovative, moderne und manchmal auch etwas unkonventionelle Projekte, die für die Region besonders geeignet erscheinen, zu entscheiden. Das trifft zweifellos auf die Klosterstadt zu“, sagte der Minister.

Während der 40jährigen Bauzeit sei das Betreten der Baustelle ausdrücklich erwünscht und könne viele Besucherinnen und Besucher nach Baden-Württemberg führen. „Die Klosterbaustelle will ein lebendiges Museum zum Anfassen und Mitmachen sein. Das Projekt bietet viele Anknüpfungspunkte für den Tourismus in der Region und über die Landesgrenzen hinaus“, lobte Bonde.

Aus dem Wald heraus

Entstehen soll die Anlage in direkter Nähe von Meßkirch, Luftlinie ca. 20 Kilometer vom Bodensee entfernt: Campus Galli wird im Walddistrikt „Hackenberg" der Stadt Meßkirch errichtet. Diese Fläche liegt sehr verkehrsgünstig zwischen den Stadtteilen Rohrdorf und Langenhart in direkter Nähe zur Bundesstraße 313 aber eben doch versteckt, so dass hier die perfekte Illusion des 9. Jahrhunderts hergestellt werden könne.

Die Klosteranlage werde wie es früher üblich war, aus dem Wald heraus entstehen, man werde also auf einer Grundfläche von 8 Hektar langsam die Stadt aus dem Wald „herausschlagen". Hinzu kämen noch Weidefläche, Parkplatz und sonstige Nebenflächen, so dass das Gesamtgebiet von Campus Galli etwa 28 Hektar umfassen werde.

Die Anlage soll, eingebettet in die Natur mit schöner Südsicht Richtung Meßkirch und Alpen, auf einem Höhenrücken entstehen und zugleich optisch abgeschirmt von der direkten landwirtschaftlichen Umgebung sein. Der Baugrund sei extrem lehmig und kalksteinhaltig, dies seien ideale Voraussetzungen für den Bau der Klosterstadt, denn die wichtigsten Baustoffe kämen auf dem Baugrundstück selber vor und könnten so vor Ort ohne lange Transportwege gewonnen werden.

Bereits seit April 2012 hat in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Sigmaringen, dem Werkstättle Pfullendorf und dem Verein Karolingische Klosterstadt e. V. ein Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose damit begonnen, Teile der Handwerkerhütten vorzubereiten, die historischen Kleidungsstücke für die Handwerker zu nähen und tausende von Holzschindeln zu produzieren.

Durch die umfangreiche Vorbereitung sei gewährleistet, dass die Besucher der Karolingischen Klosterstadt Meßkirch ein attraktives Angebot vorfinden, vom Picknick- und Spielplatzbereich über die historische Baustelle, bis hin zur Tierhaltung.

Des Weiteren wurde ein wissenschaftlicher Beirat ins Leben gerufen, bei dem schon über 15 renommierte Wissenschaftler, aus allen notwendigen Fachrichtungen ihre Mitarbeit zugesagt hätten. Dies seien unter anderem die Fachrichtungen Architektur, Archäologie und Historie. Dieser Beirat soll mindestens einmal im Jahr tagen, um den Baufortgang zu prüfen und die nächsten Bauabschnitte zu planen.

Wichtig sei, dass die Baustelle den strengen Anforderungen der Wissenschaft standhalte, denn die Originaltreue sei ein elementarer Baustein der Anlage. Dies mache das Projekt natürlich auch für die Wissenschaftler umso interessanter, denn zum ersten Mal würden bei der Umsetzung eines 1.200 Jahre alten Bauplanes die praktischen Probleme offenbar und auch dokumentiert, so dass aus der Baustelle ein wichtiger Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft bei der Erforschung des frühen Mittelalters erwachse.

www.campus-galli.de

Tags: Bundesland: Baden-Württemberg
Destinationen: Bodensee
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