Jan-F. Kobernuß (ift) zum Gesundheitstourismus in der Corona-Krise: "Wer sich jetzt kommunikativ versteckt, verliert wertvolle Zeit."
Über Gesundheitstourismus in der Corona-Krise
Richtig agieren und reagieren in und nach der Krise: Wie machen wir das? Wir haben unsere Partner*innen und Experten*innen gefragt, Unternehmen, die für bestimmte Segmente des Tourismus eine besondere Kompetenz aufweisen. Von ihnen wollten wir wissen, wie sich die Krise
- kurzfristig, also jetzt,
- nach dem Lockdown, also im sich langsam wieder herstellenden Normalzustand,
- sowie langfristig auswirken wird?
Heute gibt uns Jan-F. Kobernuß von der ift GmbH einen ersten Einblick in den Gesundheitstourismus. Paradox genug: Alle reden derzeit über Gesundheit, aber die Krise ist auch in den Kurorten und Heilbädern sowie bei den Dienstleistern des Gesundheitstourismus angekommen. Doch auch die touristische Perspektive auf Gesundheitsfragen wird sich absehbar verändern.
Wie wird sich die aktuelle Krise kurzfristig/akut auf das Thema "Gesundheit/Wellness" auswirken? Und wie auf die gesamte Branche?
Jan-F. Kobernuß: Nun, Auswirkungen gibt es bereits. So mussten Mutter-Kind-Kliniken recht schnell ihren Betrieb einstellen. Einige Rehakliniken bereiten sich auf die Aufnahme von Corona-Patienten oder auch die Übernahme von leichteren Akutpatienten aus Krankenhäusern vor, um diese zu entlasten. Andere Reha- und AHB-Kliniken verzeichnen deutliche Rückgänge bei der Neuaufnahme von Patienten oder sind bereits ganz geschlossen.
Rückgänge und Kurzarbeit gibt es auch bei Therapiepraxen in den Heilbädern und Kurorten und den wenigen noch geöffneten Hotels und Gastronomiebetrieben (Umstellung auf Außer-Haus-Verkauf). Thermen und Wellnessanlagen sind geschlossen. Die Folgen: Kurzarbeit, steigendes Insolvenzrisiko bei Thermen und Wellnessanlagen, Kliniken, Hotels, Gastronomie, Einzelhandel, touristischen Dienstleistern – also bei allen Betrieben entlang der touristischen Wertschöpfungskette in den Heilbädern und Kurorten. Denen geht es da nicht anders als anderen Tourismusorten.
Nun greifen erste Maßnahmen: Die Soforthilfen von Bund und Ländern für kleine und mittlere Unternehmen, die letzte Woche verkündeten Hilfen für Therapeuten, das COVID-19 Krankenhausentlastungsgesetz, nach dem Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für einen befristeten Zeitraum einen – anteiligen – finanziellen Ausgleich für nicht belegte Betten aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds erhalten.
Und in den Praxen, wie in allen anderen Betrieben, arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an kreativen Lösungen, wie der Betrieb zumindest auf Sparflamme aufrecht erhalten werden kann – immer unter der Prämisse, den gesundheitlichen Schutz für alle Beteiligten zu gewährleisten.
Welche Maßnahmen sollten unmittelbar nach Ende der aktuellen Krise, also im Falle eines Rückkehrs in den "Normalzustand", ergriffen werden? Sowohl im Feld des "Gesundheitstourismus" als auch für die gesamte Branche?
Jan-F. Kobernuß: Schrecken und Unsicherheit im Umgang mit dieser nie zuvor erlebten Situation weichen allmählich einem routinierten Umgang mit der Lage. Die Geschäftsführungen machen ihre Hausaufgaben und haben die Kosten-Erlös-Planung in Szenarien angepasst und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Kurzarbeitsgeld und staatliche Hilfen beantragt, soweit möglich und erforderlich.
Was jetzt im Übergang zwischen Gewöhnung an den Shutdown und den Hoffnungen auf den Abbau erster Restriktionen, mit deren Ankündigung jetzt in der Woche nach Ostern alle rechnen, wichtig ist, ist vor allem Kommunikation:
- Kommunikation mit den eigenen Mitarbeitern.
Sie sind maximal verunsichert: Was wird aus meinem Job? Wird mein Betrieb überleben? Unter welchen Bedingungen kann ich jetzt weiterarbeiten? Wann darf ich demnächst meine Arbeit wieder aufnehmen? Geschäftsführung und leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen hier im engen Austausch permanent informieren, dem Team Sicherheit und Vertrauen geben, Klarheit schaffen. Auch wenn es nicht immer glänzende Aussichten sind, die da verkündet werden können. - Kommunikation mit den Geschäftspartnern und Kunden.
Die Kliniken arbeiten „B2B“, Hotels, Thermen, Gastronomie hauptsächlich „B2C“. Wie ist die Lage des Unternehmens? Was wird aktuell noch angeboten? Wie die Zwangspause für Angebotsverbesserungen, Innovationen, Mitarbeiterschulungen, Einführung neuer Technologien und Services etc. genutzt? Wer jetzt bei den Kunden und Partnern präsent ist, der schafft Vertrauen und Wahrnehmung und wird die Ernte bei weiteren Lockerungen und der Normalisierung des Geschäftes einfahren können. Dabei geht es nicht nur um die Kommunikation von Angeboten, sondern vor allem auch von Werten. Diese haben in Krisen Konjunktur – es gibt viele, sehr ermutigende Beispiele von Solidarität, Hilfsbereitschaft, Dankbarkeit, Verantwortungsbewusstsein, aber auch für Innovationsfreude. - Kommunikation mit Trägern von Einrichtungen und Politik.
Eine Reihe von Einrichtungen in Heilbädern und Kurorten sind in öffentlicher Hand: Thermen, Therapiezentren, Tourismusgesellschaften. Örtliche Politik kann direkt, Politik auf Landes- und Bundesebene ebenfalls direkt sowie über die Fachorganisationen angesprochen werden. Fachverbände sind jetzt mehr denn je gefragt, wirksame Lobbyarbeit zu betreiben und zu informieren, zu sensibilisieren, Erfordernisse und Lösungen aufzuzeigen und konkrete Hilfen zu erreichen.
Wer sich jetzt kommunikativ versteckt, verliert wertvolle Zeit, bis er wiederentdeckt wird.
Eins macht die aktuelle Krise besonders deutlich: Wer schon bisher einen engen Austausch mit Mitarbeitern, Partnern und Kunden gepflegt hat, dem fällt die Bewältigung der Krise deutlich leichter und der spürt mehr Unterstützung und Engagement aus seinem Umfeld. Und wer ein klares Unternehmenskonzept hat, weiß, wo er hin will, seinen Markt schon immer aufmerksam beobachtet und analysiert hat, der tut sich mit schnellen und guten Entscheidungen jetzt deutlich leichter als andere.
Wie wird sich die Corona- und Tourismuskrise langfristig auf den Gesundheitstourismus und auf die gesamte Branche auswirken?
Jan-F. Kobernuß: Im Gesundheitstourismus werden die Themen Vorsorge, Atemwege, Qualität sowie Digitalisierung einen Schub bekommen. Gesundheit steht im Mittelpunkt dieser Krise. Jeder, der da Kompetenz verkörpert, wie die staatlich anerkannten Heilbäder und Kurorte und die deutsche Gesundheitswirtschaft insgesamt, kann langfristig von dieser Krise sogar profitieren – wenn er sie wirtschaftlich überlebt.
Dass der Staat im Moment mehr denn je dafür tut, der Wirtschaft über diese Krise hinweg zu helfen, ist ebenfalls eine in diesem Umfang noch nicht erlebte Erfahrung und möglich durch den permanenten, zehn Jahre andauernden wirtschaftlichen Aufschwung, der jetzt allerdings jäh unterbrochen wird.
Ich fürchte, dass nicht alle Marktteilnehmer im Sommer oder Herbst noch am Markt sind – aber wer das jetzt übersteht, der wird von der noch dieses Jahr langsam wieder anziehenden Nachfrage und dem sich daran anschließenden deutlichen Erholungsprozess stark profitieren können. Inlandstourismus und Gesundheitswirtschaft könnten also nach der Corona-Krise sogar stärker dastehen, als zuvor – wenn sie sich konsequent an den Kundenwünschen, -motiven und -bedürfnissen ausrichten. Jede Krise schärft den Blick für genau diese Erkenntnis.
Was bleibt: Einen fundierten Plan haben und intensiv kommunizieren. Wer das beherzigt, gehört zu den Gewinnern. Wer den Plan schon hat und ständig aktuell hält – wie betriebliche Businesspläne, Kurortentwicklungspläne, Tourismuskonzepte auf Orts- und Regionalebene oder auf Landesebene, wie wir es derzeit für die Heilbäder und Kurorte in Thüringen erarbeiten – ist im Feld vorn mit dabei.
Und: Gesundheit wird auch außerhalb von Heilbädern und Kurorten sowie Gesundheitswirtschaft wichtiger; Menschen im Gesundheitswesen erfahren mehr Wertschätzung. Mehr Hygiene, Verlässlichkeit, Sicherheit, Vertrauen, hohe Standards, Transparenz, Flexibilität – das werden für die ganze Tourismusbranche die Learnings aus Corona sein. So wie sich jetzt die Bedürfnisse und Werte der Gäste ändern, müssen sich auch die Angebote der Tourismuswirtschaft entwickeln. Dann wird sie weiter hohe Priorität bei Zuwendung, Anerkennung, Wertschätzung und Konsumausgaben genießen.
Jan-F. Kobernuß ist Geschäftsführer der ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH.
Bild: ift GmbH, https://pixabay.com/de/photos/bad-sassendorf-kur-heilbad-saline-2406127/