Brief aus Hong Kong #9: Über die Pandemie-Lernkurve und was 2021 für die internationale Tourismusbranche bringen wird

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Brief aus Hong Kong, Andrea Springmann

 

Viele blicken nach Asien und staunen: Was machen die Länder und Menschen dort anders und besser als bei uns? Andrea hat es uns schon oft geschildert, doch die Pandemie-Lernkurve hierzulande ist eher flach. Jetzt wirft sie zusätzlich einen Blick voraus und sagt, was für die Reisebranche in 2021 wichtig wird.

Seit dem 10. Dezember haben wir in Hong Kong wieder strengere Maßnahmen. Ende November häuften sich die Fälle der Neuinfektionen. Aktuell haben wir ca. 90 neue Covid-19-Fälle pro Tag.

Die Hong Konger Regierung reagierte schnell und hat sofort einen strengeren Maßnahmenkatalog erlassen. So müssen z.B. ab 18 Uhr alle Restaurants schließen, Schwimmbäder, Tennisplätze, öffentliche Einrichtungen und Schulen sind seit dem 10. Dezember geschlossen. Die Maßnahmen gelten erst mal bis zum 23. Dezember.

Maßnahmen-Müdigkeit macht sich breit - aber die Zahlen bleiben eher niedrig

Das Auf und Ab ist sehr zermürbend und die Menschen werden müde bei all den Maßnahmen, die das alltägliche Leben einschränken. Und das nicht nur in Hong Kong. Auch Südkorea hat seit Anfang Dezember wieder strenge Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Infektionen ergriffen. Die Bevölkerung hat zu früh seine “Guards” runtergelassen und das hat seit Mitte November verstärkt zu neu auftretenden Fällen geführt. Südkorea hatte zu Anfang den Virus durch weitreichendes Testen und Tracking unter Kontrolle. Anfang Oktober wurden die Maßnahmen drastisch gelockert, Reisegutscheine wurden zu Discountpreisen ausgegeben, um den Konsum anzutreiben. Die Fälle gingen schnell nach oben, doch die Regierung zögerte, wieder strengere Maßnahmen in Kraft zu setzen. Allerdings sind die Fallzahlen mit rund 1.000 Neuinfektionen pro Tag bei fast 52 Millionen Einwohnern immer noch vergleichweise gering, vor allem wenn man sich die aktuelle Situation in Deutschland mit über 30.000 Neuinfektionen pro Tag bei 83 Millionen Einwohnern anschaut.

 

Testcenter statt Reisekorridor 

In Hong Kong hatten wir im September fast keine neue Fälle und Wochen mit überhaupt keinen neuen, lokal übertragenen Fällen. Das stimmte die Stadt sehr optimistisch und man arbeitete mit Singapur, der Fluggesellschaft Cathay Pacific und der Hospitality Industrie an einem Reisekorridor, welcher schon seit Monaten hier diskutiert wurde. Doch dafür mussten sich beide Destinationen auf gleiche Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid und gleiche standardisierte Testverfahren einigen und die Fallzahlen mussten auf nahezu Null zurückgehen. Der Reisekorridor sollte Anfang Dezember aufgemacht werden. Doch die Öffnung wurde nun aufgrund der verstärkt auftretenden Fälle in Hong Kong auf 2021 verschoben.

Hong Kong hat 19 Community-Covid-Testcenter eingerichtet und fünf weitere werden noch vor Weihnachten hinzukommen. Man kann einen Termin online buchen oder für einen Schnelltest direkt zum Testcenter gehen. Ziel ist es, der Bevölkerung so einfach und zugänglich wie möglich Covid-19-Tests anzubieten.

 

Was bringt 2021?

Wir fragen uns alle, was uns 2021 bringen wird. Sicherlich brauchen wir in 2021 effizientere und besser international und regional abgestimmte Maßnahmen. Die Welt hat im Jahr 2020 ein großes Defizit an Leadership gesehen und erfahren. Die Pandemie wurde am Anfang global nicht ernst genommen. Die WHO hat nicht wirklich die globale Führerschaft ausgefüllt, die USA war und ist zu langsam und war nicht konsistent in ihren Antworten und Lösungsansätzen, und die EU hatte zu viele unterschiedliche Ansätze in der Bekämpfung der Pandemie.

 

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Die Pandemie-Lernkurve

Ein Wirrwarr von Meinungen und Regeln in dieser ein Jahr andauerenden Pandemie bringt uns eine immense Lernkurve was funktioniert und was nicht.

  1. Schwedens “Laissez Faire” Ansatz die Herdenimmunität zu erreichen, hat nicht wirklich funktioniert, was sich jetzt in der zweiten Welle deutlich zeigt.
  2. Neuseeland und Australien haben auf unbestimmte Zeit komplett ihre Ländergrenzen zugemacht. Nur mit großen Anstrengungen, gepaart mit viel Verwaltung und Auflagen, ist es im Ausland lebenden Australiern und Neuseeländern möglich, in diese beiden Länder einzureisen. Ein Einreise für ausländische Gäste ist auf unbestimmte Zeit nicht möglich. Neuseeland hat aktuell sein Land virusfrei erklärt und all seine Maßnahmen aufgehoben, die Einreisebeschränkungen bleiben jedoch bestehen.
  3. In den asiatischen Ländern werden seit Beginn der Pandemie konsequent Masken getragen, Social Distancing Regeln eingehalten, und es bestehen strenge Einreisebeschränkungen gepaart mit strikten Quarantänebestimmungen. So war es in den meisten asiatischen Ländern möglich, die Fallzahlen auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau zu halten.
  4. Den Virus einfach ignorieren und hoffen, dass er irgendwie verschwindet, hat sich nicht wirklich ausbezahlt, wie man u.a. in den USA und Südamerika jetzt sieht.

Die Pandemie-Lernkurve ist real und die Datenlage weltweit zeigt dies auch mehr als deutlich. Schnelltests und Impfungen werden der Schlüssel für einen Restart werden, gepaart mit dem Einsatz neuer Technologien wie z.B. dem Contract Tracing u.a. in Taiwan und Singapur und mit einem kristallklaren Maßnahmenkatalog, der für alle klar verständlich und nachvollziehbar ist.

Was erwartet die Tourismusindustrie?

 

1. Neue Gesundheitspässe/ Covid-19 Pass

Länder werden anfangen, Gesundheitspässe auszustellen, die dokumentieren, dass man negativ getestet ist und/oder eine Covid-19 Impfung hat. Solch eine Lösung ist nicht neu. Wir kennen alle die Gelbe Karte/Carte Jaune, den offiziellen Impfpass eingeführt durch die WHO.
Der Gesundheitspass wird für den internationalen Flugverkehr eingesetzt werden, sowie bei weiteren Transportknotenpunkten wie z.B. Bahnhöfen, bei Fast Check-in in Hotels etc.
Quantas war eine der ersten Airlines, die schon jetzt verkündet haben, dass man nur fliegen kann, wenn man nachweisen kann, dass man gegen Covid-19 geimpft ist.
Doch nicht nur Airlines, sondern sicherlich auch Hotels werden nur Gäste aufnehmen, die nachweislich geimpft sind und einen negativen Covid-19 Test vorlegen können.

2. Covid-19-Schnelltests werden Standard

Schnelltestverfahren werden zum Standard an vielen Plätzen und Standorten werden, z.B. an Flughäfen und Bahnhöfen oder bei großen Events, um so das Infektionsrisiko für alle zu verringern.

Am Hong Kong International Airport werden zwei Covid-19 Testcenter in den Abflughallen eingerichten, d.h. vor dem Abflug kann man einen Schnelltest am Flughafen machen lassen. Das eine Testcenter von der Biotechfirma Prenetics geleitet, die auch einen Pretesting Service am Londoner Heathrow Flughafen anbietet. Der PCR Schnelltest am Hong Konger Flughafen kostet rund 50 Euro. Die Testergebnisse sollen innerhalb von zwei Stunden via Email oder SMS von einem Labor kommen, und werden auch von der Regierung anerkannt. Das Testresult kann dann entsprechend in den digitalen Gesundheitspass geladen werden und wird doert aktzeptiert, wo ein PCR Testresultat gefordert wird.

Ein weiteres Testcenter im Flughafen wird am 21. Dezember von der Raffles Medical Group eröffnet. Das Testergebnis soll innerhalb von 24 Stunden verfügbare sein. Man kann sich für den Test via einer App anmelden und er kostet rund 40 Euro.

3. Bedeutung von Hygiene

Eine der wichtigsten Lehren aus der Covid-19-Pandemie ist die Bedeutung von Hygiene: regelmäßiges Händewaschen, Desinfektion an öffentlichen Plätzen, und rigoroses Saubermachen in öffentlichen Einrichtungen wie Museen, Bibliotheken, Hotels, Restaurants, Schulen, Kindergärten etc. wird langfristig von Bestand sein.

4. Reisekorridore/ Travel Bubbles

Ab dem 18. Dezember wurder ein Reisekorridor zwischen Singapur und Taiwan aufgemacht. Besucher aus Taiwan mit einem negativen Covid-19 Test können ohne Qurantäneauflagen in Singapur einreisen. Das Gleiche gilt auch für Singapur Permanent Residents und Singapur Reisepassinhaber.
Es werden sicherlich weitere Reisekorridore weltweit eingerichtet, bis sich die Impfung und Schnelltests sich durchgesetzt haben.

5. Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes

Eine weitere Lehre war dieses Jahr sicherlich das Tragen einer Maske. Bestimmt wird das Tragen eines solchen erst mal von Bestand bleiben. In Asien auf alle Fälle. Das zeigt auch die Erfahrung von SARS vor 17 Jahren. Das Tragen einer Maske wird nicht verschwinden, auch wenn der Virus erst mal bekämpft ist.

6. “Revanche-Reisen”

Monatelang kein Reisen hat bei vielen Menschen das Bedürfniss hervorgerufen, in 2021, spätestens 2022 wieder zu reisen. Die Menschen sind müde und zermürbt von all den Lockdowns und Reiseinschränkungen.
Haushalte mit stetigem Einkommen haben mehr Erspartes dank des Nicht-Reisens und weniger Pendlerei zur Arbeit. Das wird auch zur Folge haben, dass Luxusreisen zunehmen werden. Durch die Gesundheitsanforderungen werden die Konsumenten sich klar für Destinationen und Hotels entscheiden, in die sie das größte Vertrauen haben und dies auch weitgehend losgelöst vom Preis. Gesundheit geht vor!

7. Geschäftsreisen werden nicht vollständig auf den Stand wie vor 2020 zurückkommen

Geschäftsreisen werden länger brauchen, um wieder auf den Stand von 2019 zu kommen. Virtual Meetings sind der neue Standard geworden. Dazu sind Unternehmen gezwungen kostenbewußter zu agieren, was sich auch in den Reisebudgets niederschlagen wird.

8. Nachfrage nach alternativen Beherbergungsangeboten wird steigen

Alternative Beherbergungskonzepte werden davon profitieren, dass sich das Arbeiten von zu Hause zu einem ortsunabhängigen Arbeiten entwickeln wird. Durch die neuen Technologien wird es möglich sein, von überall aus zu arbeiten. Große Hotels werden dagegen länger brauchen, um sich zu erholen. Die wird auch daran deutlich, dass der Wert von AirBnB am ersten Tag seines Börsengangs größer war als der Wert der drei weltweit größten Hotelketten, Marriot, Hilton und Intercontinetal, zusammen. Allen Beherbungskonzepten ist gemein, dass der Kunde das Vertrauen in Hygiene und Social Distancing Regeln haben muss. Vertrauensbildung und Kommunikation sind die Basis dafür. Sicherheit für den Gast wird ganz oben auf der Agenda stehen!

9. Entwicklung eines neuen Gütesiegels für Destinationen

Für die touristischen Destinationen bedeutet das alles eine intensive Zusammenarbeit und Koordination mit all seinen Stakeholdern, um die touristischen Produkte und Angebote entsprechend anzupassen und zu kommunizieren.
Die Destination Wales hat das neue Gütesiegel “We’re Good to Go” vorgestellt. Dieses Gütesiegel wurde in Zusammenarbeit mit Tourism Northern Ireland, VisitScotland und VisitEngland entwickelt und es kennzeichnet klar alle Tourismus- und Gastgewerbeunternehmen, die die COVID-19-Richtlinien der Britischen Regierung und der Industrie befolgen sowie klare Prozesse der Abstands- und Hygieneregeln einhalten.

Ich wünsche allen ein frohes und besinnliches Weihnachtsfest! Auch wünsche ich viel Tatkraft und Zuversicht für das neue Jahr!

PS: Mehr zu mir, den Einschränkungen und Weihnachten in Hong Kong könnt ihr auch auf der Podcastfolge von Visit Black Forest hören:
https://visitblackforest.podigee.io/31-hong-kong/embed?context=external

 

AndreaSpringmann Portrait

Stay safe everybody!
Andrea

 

 Foto: Andrea Springmann

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