Mehr Traditionsbewusstsein in Mecklenburg-Vorpommern

am . Veröffentlicht in Städte- und Kulturtourismus

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Trend oder Tradition? Heimatbrauch oder Kitsch? Folklore oder Inszenierung? Zur Tagung „Tradition und Brauchtum und ihr Wert für den Tourismus“ trafen sich etwa 100 Vertreter aus touristischen Institutionen, der Wirtschaft und Vereinen aus Mecklenburg-Vorpommern und Deutschland, um sich über die Bedeutung von Traditionen für den Tourismus im Nordosten und neue Perspektiven für die Vermarktung auszutauschen.

Mit dabei waren auch Experten aus zwei in diesem Zusammenhang erfolgreichen Regionen, aus dem Schwarzwald und aus dem Salzburger Land. Ziel der vom Landestourismusverband und dem Tourismusverband Vorpommern initiierten Veranstaltung war es, Touristiker und Einheimische für die Themen Tradition und Brauchtum als touristische Potenziale zu sensibilisieren. Dazu wurde auf der Konferenz unter anderem ein Thesenpapier verabschiedet. Die Tagung fungiert darüber hinaus als Auftakt für das Themenjahr 2017 „Tradition und Brauchtum“ des Urlaubsverbandes Mecklenburg-Vorpommern.

„Bräuche sind Ausdruck von Tradition. Die industrielle Revolution, das ideologische System der DDR, ein wachsender Bildungsstand oder die Individualisierung der Menschen haben auch in Mecklenburg-Vorpommern zum Verdrängen vieler Bräuche geführt. In Bundesländern wie Bayern, aber auch in Österreich und der Schweiz ist dies anders“, erklärte Jürgen Seidel, Präsident des Landestourismusverbandes. „Zu fragen ist: Können wir uns in Mecklenburg-Vorpommern stärker auf Traditionen beziehen, um touristisch attraktiver zu sein und insgesamt eine stärkere Identität auszuprägen?“

Für immerhin etwa neun Prozent der Urlaubsgäste in Mecklenburg-Vorpommern waren laut der repräsentativen Gästebefragung „Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus 2015/2016“ Tradition und Geschichte ein Grund für die Reiseentscheidung. Auch bei den Urlaubsaktivitäten spiegele sich das Interesse der Gäste an Traditionen und Bräuchen wider: 54 Prozent besuchten die Sehenswürdigkeiten des Landes, 20 Prozent besichtigten Museen oder Ausstellungen, 15 Prozent besuchten die UNESCO-Welterbe-Stätten und 14 Prozent ließen sich auf Stadtführungen Land, Leute und Geschichte näher bringen.

Der auch für Tourismus zuständige Minister für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Harry Glawe erklärte: „Ich sehe in diesem Bereich noch viel Potenzial, um neue Impulse für den Tourismus zu setzen, unseren Städten und Gemeinden besondere Ausstrahlung zu geben und damit auch die regionale Identität zu stärken. So können wir neue Zielgruppen durch attraktive Angebote für einen Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern begeistern.“

Zur Förderung und weiteren Qualifizierung des Landtourismus zwischen Ostseeküste und Seenplatte hat der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit dem Verein Landurlaub und dem Tourismusverband Vorpommern im Januar 2015 drei Netzwerkprojekte ins Leben gerufen, darunter das Projekt „Kulturelles Erbe im ländlichen Raum“. Tilo Braune, Vorsitzender des Tourismusverbandes Vorpommern, sagte: „Das Thema Tradition und Brauchtum birgt Potenziale zur weiteren Entwicklung des ländlichen Raums in Vorpommern. In der Gesellschaft verankerte Traditionen stellen das Besondere der Region heraus und können ein Alleinstellungsmerkmal im Vergleich zu anderen Urlaubszielen sein. Die Themen, die mit dem Projekt, der Tagung und dem Themenjahr herausgearbeitet werden, sollen neue Anreize schaffen, die Region zu entdecken und wiederkehrende Gäste zu neuen Erlebnissen inspirieren.“

Um den Stellenwert gelebter Traditionen und Bräuche für das Themenjahr 2017 herauszuarbeiten und diese konkret in den Blick von Gästen zu rücken, werden im kommenden Jahr fünf Säulen die touristische Werbung zum Thema tragen: Handwerk mit Bootsbau oder Fischerei, gelebte Bräuche wie die plattdeutsche Sprache und das Tonnenabschlagen, das Landleben mit alten Gebäudeensembles oder Dorffesten, kulinarische Spezialitäten von Sanddorn bis Räucherfisch sowie maritime Traditionen vom Strandkorb bis zum Fischerkaten.

Diese Themen bilden den Rahmen für authentische und erlebbare Produkte, die Gäste in das Land locken und dessen Profil schärfen sollen. Jürgen Seidel: „Veranstaltungen wie das Tonnenabschlagen oder die Zeesbootregatten, die Architektur mit regionalen Materialien wie Schilf oder Backstein, die Braukunst oder sogar das Fischbrötchen sind Merkmale, die wir lebendig halten und noch stärker positionieren müssen. Das Plattdeutsche kann gleichfalls im touristischen Marketing zu einem Prozess beitragen, in dem unsere Einwohner mehr Akzeptanz für den Tourismus entwickeln.“

Auf der Fachtagung in Liepen ordnete Prof. Dr. Martin Lohmann vom Institut „New Insights for Toursim“ (NIT) in Kiel die Bedeutung des Brauchtums für den Tourismus ein und arbeitete damit touristische Potenziale von Tradition und Brauchtum heraus. Der Initiator des Salzburger Bauernherbstes, Karl Riegler, und der Geschäftsführer der Schwarzwald Tourismus GmbH, Christopher Krull, zeigen an ihrem jeweiligen Beispiel Wege zur Positionierung von Tradition im touristischen Umfeld auf. In weiteren Vorträgen erörterten Touristiker, welche Bräuche erhalten geblieben sind, und wie sie das Profil des Urlaubslandes beeinflussen: Wie helfen sie bei der Gewinnung neuer Gäste, und wie werden sie für diese erlebbar? Wie kann es gelingen, sie zu erhalten und an nachwachsende Generationen weiterzugeben? Lassen sich Traditionen mit Entwicklungen wie Digitalisierung und Internationalisierung vereinbaren?

Um diese und weitere Fragestellungen in den Vordergrund zu rücken, wurde im Rahmen der Fachtagung ein Thesenpapier verabschiedet, das unter anderem Touristiker, Heimatverbände und Unternehmen für das Thema sensibilisieren und deren Zusammenarbeit fördern kann. Thematisiert werden darin beispielsweise Traditionen und Bräuche als Bausteine für nachhaltigen Tourismus sowie der Wert von Traditionen für die Identität Mecklenburg-Vorpommerns, gerade auch im ländlichen Raum.

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Bild: https://pixabay.com/de/rostock-ostsee-1693009/

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