Schweizer Krise: GastroSuisse fordert Tourismusgipfel und politisches Handeln

am . Veröffentlicht in Hotellerie & Hospitality Management

Das Gastgewerbe in der Schweiz leidet nach wie vor unter der Frankenstärke. GastroSuisse fordert im Rahmen der Jahresmedienkonferenz deshalb einen Tourismusgipfel und politisches Handeln.

Die Schweizer Wohnbevölkerung hat 2015 insgesamt 22.4 Milliarden Franken für Essen und Trinken außer Haus ausgegeben. Das seien mehr als 1,1 Prozent weniger als im Vorjahr, wie der Branchenverband GastroSuisse in Bern mitteilte. Sinkender Außer-Haus-Konsum, weniger Übernachtungen von europäischen Gästen als Folge der Frankenstärke und Kostendruck seien große Herausforderungen. Die Branche setze auf Gästebindung und die Förderung von Innovationen und Kooperationen. Doch vor allem im alpinen und im ländlichen Raum sei die Situation angespannt. GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer plädiert deshalb für die Einberufung eines "runden Tisches" von Politik und Wirtschaft.

"Die Folgen der Frankenstärke machen dem Gastgewerbe auch über ein Jahr nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses schwer zu schaffen", erklärte GastroSuisse-Präsident Casimir Platzer in Bern. "Vor allem in den Berggebieten und im ländlichen Raum ist die Lage sehr angespannt." Erschwerend kommen Wettbewerbsverzerrungen hinzu, ein immenser Kostendruck und die Sorge um die Rekrutierung von erforderlichen Fachkräften in einem Markt, der permanenten Veränderungen unterliege. Die Branche setze daher selbst positive Akzente, doch es brauche zusätzliche Maßnahmen, die der Wirtschaft dienten.

Tourismus-Gipfel gefordert

"Die Ausgangslage ist komplex, ein Patentrezept gibt es nicht", analysierte Casimir Platzer. Doch für ihn steht fest: das Ausmass der Betroffenheit wird deutlich unterschätzt. "Mir ist es unverständlich, dass die Politik tatenlos zusieht, wenn die Nachfrage in den Berggebieten aus einigen Herkunftsländern um 40 Prozent einbricht." Diese Entwicklung tangiere alle Wirtschaftszweige, die vom Tourismus abhängig seien. Ganzen Tälern drohe Abwanderung und Entvölkerung. Der GastroSuisse-Präsident fordert deshalb mit Priorität die Einberufung eines Gipfels zur Stützung des Tourismus im alpinen Raum.

Ein Faktor, der die Wettbewerbsfähigkeit der Branche belaste, seien die hohen Kosten in der Schweiz. Im Gastgewerbe beliefen sich allein die Personal- und Warenkosten zusammen auf rund 80 Prozent der Gesamtkosten. Zusammen mit starken Allianzpartnern soll deshalb noch in diesem Jahr eine Volksinitiative mit dem Titel "Stop der Hochpreisinsel - für faire Preise" lanciert werden. Auf diesem Weg sollen eine echte Beschaffungsfreiheit erreicht und überzogene Schweiz-Zuschläge unterbunden werden, die nicht nur die Unternehmer, sondern auch die Konsumenten belasteten.

Unternehmerischer Spielraum nötig

GastroSuisse kämpfe nicht nur gegen Handelshemmnisse, sondern auch gegen unnötige Bürokratie und Überregulierung. Deutlich über das Ziel hinausgeschossen sei das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit zum Beispiel mit dem Verordnungspaket "Projekt Largo". Die Fülle von Regulierungen sei zu einer hohen Belastung für die KMU geworden. "Das schwächt unsere Wettbewerbsfähigkeit und hemmt das Wachstum. Vor lauter Administration bleibt immer weniger Zeit, um Gastgeber zu sein", stellte GastroSuisse-Vizepräsident Ernst Bachmann fest, der selber seit bald 50 Jahren in der Gastronomie aktiv und Präsident von GastroZürich ist. "Regeln und Gesetze braucht es, aber mit Vernunft und Augenmass." Ernst Bachmann plädiert für mehr unternehmerischen Spielraum und für eine gastgewerbliche Mindestqualifikation. "So bestünde letztlich auch weniger Anlass für immer noch mehr Vorschriften", folgerte er.

Qualifikation und Innovation

Den Einfluss der veränderten Lebensgewohnheiten auf die Marktentwicklung beleuchtete Gilles Meystre, GastroSuisse-Vorstandsmitglied und Präsident von GastroVaud. So ließen sich über die Jahre deutliche Tendenzen erkennen. Fastfood und Take-away seien schon lange nicht mehr nur das Terrain der Jungen. Aufgrund der sich wandelnden Konsumbedürfnisse der heutigen Gesellschaft bildeten sich zudem immer neue Angebotsformen heraus: Der Hamburger halte Einzug in die Spitzengastronomie, die herkömmliche Gastronomie biete auch Take-away an, Fastfood setze bewusst auf slow, bio und regional und Foodtrucks seien im Trend. "Zugunsten einer gesunden Konkurrenz in diesem dynamischen Markt sind gleiche Bedingungen eine Grundvoraussetzung", so Gilles Meystre. Wie er auch in seiner Funktion als Koordinator für die lateinische Schweiz zusammenfasste, setzen sich die Kantonalverbände von GastroSuisse deshalb mit großem Engagement ein für "gleich lange Spiesse", für Aus- und Weiterbildung sowie für die Förderung von Innovationen und Kooperationen.

Gästebindung, Herkunft und Handwerk

Vor einer Bewährungsprobe stehe das Tessin. So schätzt Massimo Suter, GastroSuisse-Vorstandsmitglied und Präsident von GastroTicino, die Lage in dieser klassischen Tourismusregion ein. "Seit der Aufhebung des Mindestkurses sind unsere Angebote für Gäste aus dem Euroraum unverschuldet um bis zu 20 Prozent teurer geworden", so Massimo Suter. Das schlage sich auf die Gästezahlen nieder. "Bei einer der wichtigsten Gästegruppen, den Deutschen, sind die Logiernächte von 2014 auf 2015 um rund 20 Prozent zurückgegangen." Kommt hinzu, dass im Tessin als Grenzkanton die Folgen des Einkaufs- und Gastronomietourismus besonders schmerzhaft seien. Die Branche setze deshalb mehr denn je auf die Pflege von Stammkundschaft und auf Qualität und Regionalität der Angebote. Die Initiative "Ticino a Tavola" beispielsweise sei Ausdruck dieser Philosophie.

Bessere Rahmenbedingungen für die Hotellerie

Zusätzlich zu traditionellen Verkaufskanälen spielten Online-Buchungsplattformen bei der Vermarktung von Hotelzimmern eine immer wichtigere Rolle. Die Gastgeberinnen und Gastgeber bezahlten diese Dienstleistung allerdings mit hohen Kommissionen von 12 bis sogar 30 Prozent des Umsatzes. Aufgrund der Dominanz der Plattform-Anbieter könnten die Gastgeber kaum ausweichen. Repressive Verträge und "Best-Preis-Garantien" schränkten die Hoteliers bei der eigenen Online-Vermarktung ihrer Angebote jedoch massiv ein. Angesichts der prekären Situation des Schweizer Tourismus kritisierte GastroSuisse-Direktor Remo Fehlmann das zögerliche Vorgehen der Wettbewerbskommission. Er verwies auf das deutsche Bundeskartellamt, das dem Anbieter Booking.com die Best-Preis-Klausel vollständig gestrichen habe, und stellte klar: "Weitere Taten der Wettbewerbskommission müssen folgen. Die Politik ist aufgefordert, auch in der Schweiz die Wirtschaftsfreiheit für Hotelbetriebe wieder herzustellen."

Neue Impulse für die Branche

"Die Schweizer Hotellerie braucht Innovationen", postulierte Daniel C. Jung, stellvertretender GastroSuisse-Direktor. GastroSuisse lanciere deshalb zusammen mit der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit den neuen "Hotel Innovations-Award". Er soll der Branche neue Impulse geben, erfolgversprechende Konzepte fördern und den Zugang zu Fremdmitteln ermöglichen. Zusammen mit dem Arbeitsbuch "fit-together - Kooperationen und Innovationen in der Hotellerie" und dem "Hotel Innovations-Tag" Ende August im Verkehrshaus Luzern bilde der Award eine eigentliche Innovations-Kampagne.

Gastronomietourismus schmälert inländischen Konsum

Die Schweizer Wohnbevölkerung hat im vergangenen Jahr 22.4 Milliarden Franken für die Verpflegung außer Haus ausgegeben. Gemäß den Analysen von Sascha Schwarzkopf, Leiter Wirtschaftspolitik von GastroSuisse, haben die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um 260 Millionen abgenommen. "Aufgrund der hohen Personal- und Warenkosten in der Schweiz und wegen des starken Frankens sind die Leistungen der Schweizer Restauration teurer als im benachbarten Ausland", präzisierte er. "Allein durch Gastronomietourismus fliessen deshalb jährlich rund vier Milliarden Franken ins naheliegende Ausland ab." Dieser Trend bilde sich in den Ausgaben für Restaurantbesuche ab. In grenznahen Kantonen wie Thurgau oder Neuenburg seien die Konsumationen pro Kopf besonders tief. Nach wie vor gäben Herr und Frau Schweizer in der traditionellen Restauration am meisten Geld fürs Essen außerhalb der eigenen vier Wände aus. Die Schnellverpflegung büßte hier nur leicht ein und kam 2015 auf einen Marktanteil von 17,6 Prozent am Außer-Haus-Konsum.

www.gastrosuisse.ch