Bayerns neuer Heilbäder-Präsident: "Viele Kurorte kämpfen ums Überleben"

am . Veröffentlicht in Gesundheitstourismus & Medical Wellness

BundoblerDer langjährige Bad Füssinger Bürgermeister Alois Brundobler führt ab sofort kommissarisch den Vorsitz des Bayerischen Heilbäderverbands. Seine Kritik: Die besondere Belastungssituation der Kurorte werde bei der Verteilung von staatlichen Fördermitteln aus den Corona-Schutzschirmen auch weiterhin weitgehend ignoriert.

Bayerns mehr als 70 Kurorte und Heilbäder haben einen neuen obersten Repräsentanten: Der langjährige Bad Füssinger Bürgermeister Alois Brundobler steht ab sofort an der Spitze des Bayerischen Heilbäderverbands. Er führt das Amt als Heilbäderpräsident zunächst kommissarisch bis zum November nächsten Jahres. Eine Veränderung im Bayerischen Kabinett hatte den Wechsel notwendig gemacht: Ministerpräsident Markus Söder berief Klaus Holetschek, seit 2006 Chef der Kurorte, im August als Staatssekretär in das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege. Im Zuge der Ernennung lässt Holetschek seit Amt nun ruhen, wie er in einer Vorstandssitzung in der vergangenen Woche mitteilte.

Alois Brundobler, seit 2006 stellvertretender Vorsitzender der Verbands, will in den kommenden Wochen und Monaten die akute finanzielle Existenznot vieler Mitgliedsorte zum Thema seiner Arbeit machen: "Ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung durch den Freistaat werden viele von ihnen ihr Angebot nicht aufrecht erhalten können", sagt er. "In Bayerns Heilbädern und Kurorten herrscht nach wie vor Alarmstufe Rot", betont der langjährige Rathauschef in Europas größtem Kurort Bad Füssing. Brundobler war von 2002 bis zum Frühjahr 2020 Bürgermeister in der niederbayerischen Kurgemeinde an der österreichischen Grenze mit jährlich mehr als zwei Millionen Übernachtungen.

Bayerns Kurorte sind im Normalbetrieb eine Wirtschaftsmacht im Stillen und Quelle sprudelnder Steuereinnahmen: mit 100.000 Arbeitsplätzen überwiegend in industrie- und wirtschaftsarmen ländlichen Regionen und 4,5 Milliarden Euro Jahresumsatz. Touristisch sind sie Schwergewichte: Jede vierte Touristenübernachtung im Freistaat wird in einem der Heilbäder gebucht.

Die Corona-Krise traf und trifft die Bayerischen Kurorte nach Worten des neuen Heilbäder-Präsidenten viel härter als die übrigen Städte und Gemeinden im Freistaat. Ausgerichtet auf die meist älteren Besucher und Patienten mussten sie auch während des Lockdowns eine kosten- und personalintensive Gesundheits- und Gäste-Infrastruktur zu finanzieren - bei praktisch null Einnahmen. "Zwar kehren immer mehr Gäste zurück, aber viele unserer Besucher sind ältere Menschen, die zur Corona-Risikogruppe gehören und vorsichtig bleiben", sagt Brundobler. Viele Hotels, Thermen und Bäder dürften zudem aktuell und auf absehbare Zeit nur mit eingeschränkten Kapazitäten arbeiten. Bei Veranstaltungen sind Besucherzahlen reglementiert. Die Folge sind enorme Einnahmeausfälle für die Gemeinden, die die Gäste-Infrastruktur von Parks bis hin zu Veranstaltungsangeboten weiter aufrechterhalten müssen.

Wie andere bayerische Gemeinden profitieren die 77 Kurorte und Heilbäder in Bayern zwar davon, dass Ausfälle durch Gewerbesteuer durch Bund und Land ausgeglichen werden sollen. "Noch wichtiger für die Heilbäder wäre aber, dass auch die fehlenden Einnahmen aus den Kur- und Fremdenverkehrsbeiträgen ersetzt werden", sagt Heilbäderpräsident Brundobler. Allein Bad Füssing als Bayerns größter Kurort rechnet hier 2020 mit einem Fehlbetrag von etwa fünf Millionen Euro. Das entspreche mehr als der Hälfte der Summe, die Bad Füssing aus Steuern und Abgaben Corona-bedingt fehlt, betont Tobias Kurz, der Nachfolger Alois Brundoblers im Amt das Bad Füssinger Bürgermeisters.

Bayerns Staatsregierung kündigte im August an, dass auch diese Ausfälle über das Instrument der so genannten Bedarfszuweisungen ausgeglichen werden könnten. "Was zunächst einmal gut klingt, erweist sich in der Praxis aber als Scheinlösung", sagt der kommissarische Heilbäderpräsident. Die Richtlinien für die Gewährung von Bedarfszuweisungen und Stabilisierungshilfen für die Ausfälle beim Kurbeitrag und beim Fremdenverkehrsbeitrag führen nach seinen Worten in der Praxis zu "absurden Ergebnissen".

Brundobler fürchtet: "Konzipiert für eine Gemeinde ohne die besonderen Zusatzaufgaben eines Kurorts rechnen wir als Verband damit, dass aufgrund der Berechnungssystematik mit hoher Wahrscheinlichkeit kein einziges bayerisches Heilbad in den Genuss dieses Geldes kommt. Er fordert: "Diese Lösung geht an der Wirklichkeit vorbei, hier muss die Staatsregierung nachbessern, wenn sie die Existenz unserer Kurorte mit ihren Arbeitsplätzen und ihrer essenziellen Rolle für den ländlichen Raum nicht aufs Spiel setzen will", sagt der Heilbäderpräsident. Er fordert ein vereinfachtes Abrechnungssystem ähnlich wie bei der Gewerbesteuer. Danach solle der Freistaat beim Kur- und Fremdenverkehrsbeitrag die Differenz zwischen den Einnahmen 2020 und dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre ersetzen.

Der kommissarische Vorsitzende des Heilbäderverbandes will dazu in den kommenden Tagen intensiv das Gespräch mit der Bayerischen Staatregierung suchen. Seine Botschaft: "Damit die Heilbäder ihre Aufgabe als wichtige Bausteine im deutschen Gesundheitssystem auch künftig erfüllen können, brauchen wir dieses klare finanzielle Bekenntnis zur Bedeutung der Heilbäder für die bayerische Wirtschafts- und Gesundheitspolitik." Die bayerischen Kurorte seien zum einen gerade vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie auf dem Arbeitsmarkt Stabilitätsanker abseits der Metropolen und zum anderen spielten sie eine Schlüsselrolle bei der Gesundheitsförderung und Erholung gerade nach den für viele physisch und mental anstrengenden Monaten der Corona-Pandemie.

Quelle: obx-news

Foto: obx-news/privat - Bad Füssinger Bürgermeister Alois Brundobler

 

Nichts verpassen: Newsletter abonnieren