Bayern: Gratwanderung durch die Wintersaison

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alpen, spur im schnee

 

Was bewegt den Tourismus in Zeiten der Zeitenwenden? Das ist das Motto des diesjährigen Tourismustag Bayern. Und eine Zeitenwende klopft schon an die Hüttentür: die Wintersaison.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger blickt, vermutlich weil das zu seinem Job gehört, mit Optimismus auf die kommende Wintersaison: "Obwohl steigende Lebensmittelpreis und hohe Energiekosten der Tourismusbranche zu schaffen machen, sehe ich mit Zuversicht auf die nächsten Monate. Die Betriebe können sich auf eine stabile Nachfrage verlassen", sagte Aiwanger bei der Eröffnung des Bayerischen Tourismustags in München. "Wir erwarten den ersten Winter wieder ohne Corona-Beschränkungen. Und auch wenn viele Haushalte sparen müssen, stehen Urlaub und Freizeit ganz oben auf der Wunschliste." Das klingt ein wenig wie das Pfeifen im Walde, weil nämlich derzeit außer einer großen Reisesehnsucht kein klarer Trend erkennbar ist.

Die Sommersaison ist hingegen für den Tourismus sowohl in der Natur als auch in den Städten erfolgreich verlaufen. In den Monaten Juni bis August 2022 waren 12,3 Millionen Menschen zu Gast in Bayern. Die Zahl der Übernachtungen betrug 33,5 Millionen. Damit wurde das Niveau des Vor-Corona-Jahres bei der Anzahl der Übernachtungen mit einem Plus von 0,1 Prozent wieder erreicht; die Zahl der Gäste lag noch 4,2 Prozent darunter. Der Minister zeigte sich zumindest mental überzeugt, dass sich dieser Trend auch Richtung Weihnachten fortsetzen werde. "Wir wollen dieses Jahr Weihnachten feiern, wie wir das immer getan haben. Und dazu gehören auch Weihnachtsfeiern und der Besuch von Weihnachtsmärkten".

Wie wenig empirisch fundiert diese Aussage ist, zeigte sich daran, dass Aiwanger an die Bürgerinnen und Bürger appellierte, die heimische Tourismusbranche nach Kräften zu unterstützen: "Machen Sie Urlaub in Bayern, fahren Sie bei uns Ski und gehen Sie bei sich in der Region zum Essen. Das ist gelebte Solidarität mit den Menschen, die vor Ort die Wirtschaft am Laufen halten und für Arbeitsplätze sorgen. Hier kann jeder seinen Beitrag leisten, bestehende Strukturen zu erhalten.“

Barbara Radomski, Geschäftsführerin der Bayern Tourismus Marketing GmbH, ist da näher an der Realität: "Lust und Zeit für einen Urlaub sind Studien zufolge ausreichend vorhanden. Die Menschen sind erschöpft und sehnen sich nach einer Auszeit. Dennoch werden wir uns diese Wintermonate auf sehr kurzfristige und auch spontane Buchungen einstellen müssen. Viele zögern und warten ab, wie sich die eigene finanzielle Situation entwickelt. Grundsätzlich verzichten wollen jedoch die wenigsten und reagieren eher mit Einsparungen beim oder im Urlaub, beispielswiese bei der Unterkunft, dem Reiseziel oder bei der Länge der Urlaubsreise. Wer genau jetzt in eine positive Kommunikation gegenüber potenziellen Gästen investiert, hat somit beste Chancen, die Lust auf den Urlaub zu wecken und 'Zögerer' vom eigenen Angebot zu überzeugen."

Bernhard Joachim, Geschäftsführer des Tourismusverbands Allgäu/Bayerisch-Schwaben, sieht auch die Herausforderungen: "Im Allgäu und in Bayerisch Schwaben blicken wir mit der nötigen Portion Optimismus, aber auch mit großer Aufmerksamkeit auf die aktuellen Probleme in die Wintersaison. Oberstes Ziel ist es, unseren Gästen die bestmögliche Aufenthaltsqualität und ein sorgloses Urlaubserlebnis zu bieten. Unsere Betriebe werden ihre Energieeffizienz erhöhen, ohne dass unsere Gäste auf Komfort verzichten müssen."

Oswald Pehel, Geschäftsführer von Tourismus Oberbayern München, analysiert die Situation differenzierter: "Viele Tourismusbetriebe, Hotels, Seilbahnen und Thermen blicken angesichts steigender Energiepreise und fehlender Fachkräfte sorgenvoll auf die kommende Wintersaison. Trotz aller Herausforderungen blicken wir verhalten positiv in die kommenden Monate - auch weil der typische Winterurlaub in Oberbayern auf vielen Erlebnissen und Aktivitäten beruht – vom Skifahren über Winterwandern, Langlauf bis hin zu kulturellen und städtetouristischen Angeboten. Diese Vielfalt macht uns etwas resilienter, auch wenn die Rahmenbedingungen krisenbedingt nicht einfach werden!"

Michael Braun, Vorstand des Tourismusverbands Ostbayern, hofft auf die Flexibilität der Branche: "Der Städtetourismus hat in Ostbayern über den Sommer wieder stark angezogen und auch die Buchungslage ist vor allem im höherpreisigen Segment ab 4 Sternen sehr gut. Problematisch ist die Lage in den Heil- und Thermalbädern. Grundsätzlich sehen wir, dass überwiegend kurzfristig gebucht wird, das bringt natürlich Unsicherheiten aufseiten der Betriebe mit sich. Die Betriebe müssen vor allem flexibel onlinebuchbare, freie Kapazitäten am Markt zur Verfügung stellen. Ich bin mir jedoch sicher, dass wir mit unseren durch den Freistaat geförderten Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitscoachings den Betrieben zu einer zukunftsfähigen Ausrichtung verhelfen."

Der Wintertourismus ist in Zeiten der explodierenden Energiekosten eine Gratwanderung zwischen Energiesparen, Preiserhöhungen, Fachkräftemangel und Komforterhalt für die Gäste. Kein leichtes Unterfangen, vor allem in den Regionen, die vom Skitourismus abhängen. Hinzu kommt die Unberechenbarkeit der Nachfrage und das große Abwarten der Gäste. Viele Unwägbarkeiten prägen derzeit die Situation. Eigentlich eine Situation, die viele auch schon aus der Coronakrise kennen, aber diesmal sind es eben wieder neue Faktoren wie z.B. der Verlauf des Winters und die Situation in den Erdgasspeichern etc. Daher sind alle gut beraten, verschiedene Szenarien zu durchdenken und angepasste Maßnahmen umsetzen zu können.

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