Sparkassen-Tourismusbarometer: Die Krise als Neuanfang nutzen

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OSV Tourismusbarometer

 

Die Corona-Krise hat die gute Entwicklung des Tourismus in Ostdeutschland der vergangenen Jahre ausgebremst und die Betriebe und Freizeiteinrichtungen zum Teil schwer beeinträchtigt. Gleichzeitig habe sie jedoch notwendige Entwicklungen ausgelöst und beschleunigt. Beispielhaft nennt das aktuelle Sparkassen-Tourismusbarometer des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) die Digitalisierung.

Aktuelle Ergebnisse des Sparkassen-Tourismusbarometers hat der Geschäftsführende Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, Dr. Michael Ermrich, am Donnerstag auf dem OSV-Pre-Opening der digitalen Internationalen Tourismusbörse vorgestellt. Bei den Gästen punkten wollen die Touristiker mit den Themen Gesundheit und Sicherheit (Hygienekonzepte), Outdoor und Natur (Besucherlenkung), verlässliche Informationen (Content) und Flexibilität/Kurzfristigkeit (flexible Buchungs- und Stornierungsbedingungen).

„Die Tourismusbetriebe haben schwierige Monate zu bewältigen. Ich bewundere aber, dass sie nicht den Kopf in den Sand stecken und aufgeben, sondern die erzwungene Ruhe für einen zukunftsorientierten Neustart nutzen,“ erläutert Dr. Ermrich: „Sie setzen alles daran, Kundenerwartungen gerecht zu werden und neue Vermarktungskonzepte zu etablieren.“

Tourismusbranche leidet unter Pandemie

Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Pandemie tiefe Spuren hinterlassen hat, in Ostdeutschland nicht ganz so tief wie deutschlandweit. Hier profitiert Ostdeutschland von seiner Schwäche in Normalzeiten: Die Marktanteile von Geschäftsreisenden, Messe-Kongress-Besuchern und internationalen Gästen ist in Ostdeutschland geringer.

Hohe Umsatzausfälle

Zwischen März und Dezember 2020 beklagen die ostdeutschen Destinationen einen Umsatzausfall von 6,7 Mrd. Euro (bundesweit 68,7 Mrd. Euro). Der Tages- und der Übernachtungstourismus sind davon insgesamt fast gleichermaßen betroffen.

In einem Normaljahr besuchen annähernd 500 Mio. Tagesgäste die neuen Länder, 2020 waren es mit 420 Mio. rund 14 Prozent weniger, bundesweit betrug der Rückgang sogar 19,1 Prozent. Auch die ostdeutsche Freizeitwirtschaft büßte mit einem Rückgang von 39 Prozent weniger ein als bundesweit (41 Prozent). Erwartungsgemäß mussten Indoor-Einrichtungen wie Bäder/Thermen und Museen größere Einbußen hinnehmen als Outdoor-Angebote wie Zoos.

Deutlicher Rückgang der Übernachtungen

Ostdeutschland verzeichnete im vergangenen Jahr 64,1 Mio. Übernachtungen, 29 Prozent weniger als 2019 und so wenig wie 2005. Deutschlandweit betrug der Rückgang sogar 39 Prozent.

Mecklenburg-Vorpommern zählte 2020 mit 27,8 Mio. Übernachtungen 18,6 Prozent weniger als 2019. In Brandenburg sank die Nachfrage 2020 um 27,5 Prozent (ggü. 2019) auf 10,1 Mio. Übernachtungen und in Sachsen-Anhalt gingen die Übernachtungen um 30,9 Prozent (ggü. 2019) auf rund 6 Mio. Übernachtungen zurück. Sachsen zählte 2020 13,5 Millionen Übernachtungen (- 34,9 Prozent ggü. 2019) und Thüringen verzeichnete 2020 ein Minus von 35,3 Prozent Übernachtungen (ggü. 2019) und kam somit auf 6,7 Mio. Übernachtungen.

2020 gibt es keine „Krisen-Gewinner“ im Deutschland-Tourismus. Allerdings sind einige Destinationen weniger stark betroffen. Unter den bundesweit zehn Destinationen mit den geringsten Rückgängen liegen allein sieben in Ostdeutschland, vom Lausitzer Seenland (- 7,2 Prozent) und der Mecklenburgischen Schweiz und Seenplatte (- 11,1 Prozent) über die Sächsische Schweiz (- 13,9 Prozent), die Prignitz (- 15,4 Prozent) und Westmecklenburg (- 19,3 Prozent) bis nach Rügen/Hiddensee (- 16,2 Prozent) und Vorpommern (- 19,9 Prozent).

Marktsegmente unterschiedlich betroffen

Alle Segmente mussten 2020 im Vergleich zum Normaljahr 2019 Übernachtungsrückgänge hinnehmen. Gefragt waren „autarke“ Anbieter.
Den geringsten Rückgang sieht das Tourismusbarometer beim Camping/Caravaning (- 5 Prozent) und bei Ferienwohnungen/Ferienparks
(- 17 Prozent). Besonders betroffen waren Gruppenunterkünfte (- 60 Prozent), aber auch Gasthöfe/Pensionen hatten deutliche Einbußen (- 33 Prozent) ebenso wie Hotels/Hotels garni (- 48 Prozent).

Behutsame Rückkehr zur Normalität

Auch der Neustart werde unterschiedlich intensiv verlaufen: Anbieter von Outdoor-Aktivitäten profitieren so lange überdurchschnittlich stark, wie Restriktionen wirken. Gastronomie und Shopping dürften auf eine rasche Regeneration hoffen. Sehenswürdigkeiten und Kulturangebote müssten sich auf eine langsame Regeneration einstellen. Veranstaltungen würden auch nach dem Neustart noch über Monate hinweg unterdurchschnittlich besucht werden.

Das Sparkassen-Tourismusbarometer empfiehlt eine transparente Kommunikation von Maßnahmen und Reglementierungen. Abstands- und Hygienekonzepte sollten langfristig angelegt werden. Die Gäste informieren sich in der Regel über Online-Kanäle. Content-Qualität ist wichtiger denn je.

Gästezufriedenheit geht zurück

Das Qualitätsniveau unter Krisenbedingungen zu halten, ist offenbar nicht allen Betrieben gelungen. Die Gästezufriedenheit ist 2021 im Vergleich zu 2020 gesunken. In Ostdeutschland ist der Trust Score, die Kennziffer für Gästezufriedenheit, um 0,8 Punkte auf 84,9 Punkte zurückgefallen. Deutschlandweit sank der Trust Score nur um 0,6 Punkte auf 85,8 Punkte. Sachsen blieb in Ostdeutschland das Land mit der höchsten Gästezufriedenheit von 86,2 Punkten (- 0,5 Punkte), gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 84,8 Punkten (- 0,6 Punkte), Brandenburg mit 84,7 Punkten (- 0,4 Punkte) und Thüringen mit 84,4 Punkten (- 0,5 Punkte). Mecklenburg-Vorpommern fiel um 1,5 Punkte zurück und ist mit 84 Punkten nun das Schlusslicht. Qualität muss gerade auch in der Krise ausgebaut werden.

Herausforderungen beim Neustart

Die Betriebe brauchen Planungssicherheit. Im Jahr 2020 hatten sie im Durchschnitt rund 100 Tage geschlossen, an fast genauso vielen durften sie nur mit Einschränkungen öffnen. Nur etwa 6 Monate blieben, um den gesamten Jahresumsatz zu erwirtschaften. Betriebe müssen ihre Liquidität sichern. Umsatzeinbußen und zusätzliche Kosten für Hygienekonzepte und coronabedingte Einschränkungen belasten.

Qualifizierte Fachkräfte sollten gehalten werden. Etwa sechs von zehn Betrieben befürchten Mitarbeiterabwanderungen und knapp sechs Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben bereits 2020 ihre Beschäftigung aufgegeben, trotz Kurzarbeitergeld.
Die Qualität der Angebote muss erhalten bleiben, trotz fehlender Mittel für Investitionen. Mehr als drei Viertel der Gastronomiebetriebe und mehr als zwei Drittel der Beherbergungsbetriebe geben an, in den nächsten Jahren keine Investitionen tätigen zu können. In der Freizeitwirtschaft sind es rund 45 Prozent.

Viele Betriebe benötigen ergänzend zu den Hilfen von Bundes- und Landesregierungen und Soforthilfen zusätzlich Überbrückungskredite. Das Beherbergungsgewerbe (42 Prozent) ist davon am stärksten betroffen. Aber auch jeder dritte Gastronomie- und jeder vierte Freizeitbetrieb ist auf zusätzliche finanzielle Mittel angewiesen. Solche Schulden stehen aber Investitionen entgegen.

Positiv Denken

Das Sparkassen-Tourismusbarometer gibt Hinweise für Betriebe: Führungskräfte und Mitarbeiter sollten konstruktiv denken und offen und transparent kommunizieren. Durch Corona entstandene Freiräume gilt es für neue Ideen zu nutzen, um z. B. Betriebsabläufe und Hygienekonzepte zu optimieren oder Maßnahmen zur Gäste-/Besucherlenkung zu prüfen. Dazu zählt auch, die Digitalisierung voranzutreiben.

Die Bilanzzahlen müssten exakt analysiert werden. Instrumente, wie Kennzahlenmonitoring oder eine Business Impact Analyse sollten genutzt werden, um die strategische Ausrichtung des Betriebs festzulegen und die Liquidität abzusichern. Dabei ist externe Unterstützung sinnvoll, z. B. durch Steuerberater und Wirtschaftsförderung. Die Politik kann unterstützen: So brauchen die Betriebe einen Stufenplan, der Perspektiven aufzeigt, z. B. die Öffnung von Außenflächen oder Test-Nachweise bei Unterkünften und Freizeiteinrichtungen.

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Bild. OSV