Snowfarming in Seefeld: Schnee von gestern heute genutzt

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Schon Ende November mit dem Langlauftraining beginnen? In der Olympiaregion Seefeld geht das: mit dem Schnee von gestern. Wie das geht, erklärt Martin Tauber im Interview.

Ab dem 11.11. steht in dem Wintersportort eine 1,8 Kilometer lange, 9 Meter breite und bestens präparierte Langlauf-Loipe - aus ECHT-SCHNEE und im Einklang mit der Natur aufbereitet - bereit. Egal ob in T-Shirt oder Skianzug, es kann gelaufen werden.

Die Olympiaregion Seefeld in Tirol setzt bei ihrem Schneemanagement auf die umweltfreundliche Methode des Snowfarming. Bei dieser nachhaltigen und kosteneffizienten Technik würden rund 5.000 m³ Schnee aus der Vorsaison über die Sommermonate unter einer 60 Zentimeter dicken Lage Holzschnitzel konserviert und zum Saisonstart wieder aufbereitet.

Die Tiroler Region sieht sich als Vorreiter, wenn es um die nachhaltige und ressourcenschonende Methode des Schneekonservierens geht. Im Gegensatz zu der herkömmlichen Beschneiung würden hier lediglich kalte Luft und Wasser und keinerlei chemische Zusätze benötigt.

Die Hackschnitzel würden dann nach dem Ausbringen des Schnees im Winter zum Heizen der regionalen Haushalte verwendet. Die Technik des Snowfarming sei somit ein effektiver Kreislauf, der zudem umweltschonend, nachhaltig und kosteneffizient sei.

Verantwortlich für das Snowfarming in der Olympiaregion Seefeld ist der Nordische Projektleiter Martin Tauber (40). Tauber stellt fest: "Der Schnee von gestern war noch nie so interessant wie heute - für Sportler und Umwelt!"

Martin Tauber im Interview

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Herr Tauber, wie funktioniert das Snowfarming?

Martin Tauber: „Snowfarming ist das Konservieren von Kunstschnee aus dem Vorjahr. Hierbei lagern wir bis zu 5.000 m³ Kunstschnee ein. Das entspricht ungefähr 500 LKW-Ladungen Schnee.
Der Schnee wird über den Winter produziert, vor allem im Januar und Februar, wenn die Temperaturen niedrig sind. Im Frühjahr wird dann noch der restliche Schnee im Gebiet eingesammelt und im Depot unter Holzschnitzeln aus der Region eingebettet.“

Wie schafft man es, dass der Schnee in den Sommermonaten nicht schmilzt?

Martin Tauber: „Das Schneedepot liegt direkt an einem schattigen Wald, in Seefeld am Hang der Sprungschanze und unweit von der späteren Loipe, damit wir den Schnee schnell und CO2-sparsam von A nach B transportieren können. In dieser Lage ist der Schnee selbst im Sommer lediglich vier Stunden der Sonne ausgesetzt, was aber auch kein Problem darstellt. Die 60 cm dicke Lage Hackschnitzel bietet perfekte Dämmung und bildet ein Natur-Kühlsystem, welches funktioniert wie beim Menschen: Die Holzschnitzel nehmen Feuchtigkeit auf und geben sie wieder ab, sobald die Sonne darauf scheint oder es zu warm wird. Durch die natürliche Regulierung der Feuchtigkeit kühlt das System und konserviert den darunter liegenden Schnee. Ähnlich wie beim Menschen mit dem Kühlen durch Feuchtigkeit auf der Haut, das Schwitzen. 80% des konservierten Schnees bleibt somit über das Jahr erhalten. Wir müssen doch nicht alten Schnee schmelzen lassen, um dann ein halbes Jahr später wieder mit viel Energie neuen zu produzieren!“

Was macht das Snowfarming energieschonender und umweltfreundlicher als die herkömmliche Beschneiung?

Martin Tauber: „Zur Herstellung des Schnees fürs Snowfarming kann auf jegliche chemische Zusätze verzichtet werden, denn wir nutzen in den kalten Frühjahrsmonaten nur Wasser und die naturgegebene kalte Luft. Das Prinzip ist gar nicht so neu, das haben von unseren Vorfahren gelernt: Schon früher gab es dieses Prinzip mit den Eiskellern, sozusagen ein Vorläufer des Kühlschranks. In den kalten Wintermonaten lagerte man das Eis in den Eiskellern ein, um es in den Sommermonaten für die Kühlung von Speisen zu nutzen. Im Übrigen werden die Hackschnitzel dann nach dem Ausbringen des Schnees im Winter zum Heizen der Haushalte in der Region verwendet. Also: Ein rundum effektiver Kreislauf.“

Wie kam es zur Idee des Snowfarming in Seefeld?

Martin Tauber: „Die Olympiaregion genießt international höchstes Ansehen als Langlaufdestination und ist der ideale Trainingsort zur Vorbereitung der Profis, denn hier bündeln sich die Kompetenzen für diesen Sport. Da viele Profis früher nach Skandinavien zum Trainieren gereist sind, um dort auf eingelagertem Schnee zu trainieren, dachten wir uns: „Das können wir hier auch!“ Wir sind sehr optimistisch, dass wir mit unserem nachhaltigen System zur Nr.1 der Langlauf-Regionen werden.“

Am 11. November ist offiziell Start der Langlaufsaison in Seefeld – liegen Sie im Zeitplan?

Martin Tauber: „Ja durchaus, wir beginnen jetzt Anfang November mit dem Abtragen der Holzschnitzel, wofür wir drei Tage eingeplant haben. Für den Bau der neuen Loipe, die zugleich auch schon eine neue Trasse für die FIS Nordische Ski WM 2019 wird, haben wir vier Tage berechnet. Somit sind wir sehr optimistisch, dass wir am 11. November die Langlaufsaison in der Olympiaregion Seefeld pünktlich und vor allem schneesicher einläuten können, was heißt: Die Sportler werden zuverlässig auf einer 1.800 Meter langen und 9 Meter breiten Loipe mit ihrem Training starten können, sowohl im Skating- als auch im Klassik-Stil. Zwei Wendepunkte ermöglichen außerdem das Langlaufen im Gegenverkehrssystem.“

Bauen Sie für die Saison 2017/2018 das Snowfarming weiter aus?

Martin Tauber: „Mit dem geplanten Bau des großen Speichersees am Gschwandtkopf werden wir die Wasserversorgung der Schneekanonen um ein vielfaches optimieren. 2017 wollen wir so noch umweltschonender noch mehr Schnee einlagern. 2017 wäre es dann schon denkbar, dass wir anstatt der knapp 5.000 m³ bis zu 10.000 m³ Schnee konservieren. Zudem wird die andere Technik auch immer besser: So können zum Beispiel unsere Pisten-Bully-Fahrer mit ihrem neuen GPS-Pistensystem, dem SNOWsat, die exakte Schneehöhe messen. So wissen wir immer ganz genau, wo wie viel Schnee liegt und wo dann gegebenenfalls mit Schnee aufgefüllt werden muss oder wo wir Schnee zum Einlagern wegholen können. Das macht die Sache noch kosteneffizienter und umweltschonender, weil wir nicht doppelt Schnee produzieren müssen und auf natürliche
Schneedepots zurückgreifen können. Der Schnee von gestern war noch nie so interessant wie heute – für Sportler und Umwelt!“

Martin Tauber (*1976 in Innsbruck) ist Mitarbeiter des Tourismusverband Seefeld und Nordischer Projektleiter. Dazu betreibt er die Langlaufschule „Cross Country Academy“ in Seefeld. Bis 2007 war Tauber Profilangläufer und Mitglied der Österreichischen Nationalmannschaft. Sein erstes Know-How eignete er sich während seiner aktiven Zeit als Langläufer in Finnland an, wo er mit der Nationalmannschaft stets im Trainingslager war, und baute es weiter in Österreich aus.

http://www.seefeld.com/

Bilder/Interview: © Olympiaregion Seefeld/Snowfarming