Brief aus Hong Kong #4/2021: Über Zero-Covid und die Folgen, das Quarantäne-Hotel Penny Bay und Strategien in Asien

am . Veröffentlicht in Brief aus Hong Kong

Brief aus Hong-Kong
 

 

Was hat die Zero-Covid-Strategie in Hong Kong für Folgen für die Menschen dort? Welche Strategien verfolgen andere Länder im asiatischen Raum? Und welche Vor- und Nachteile hat das? Andrea ordnet ein, was Europa und vor allem Deutschland anders gemacht hat. Und wir verstehen, wieder einmal, dass es keine einfachen, sondern nur komplexe und abgestimmte Strategien gegen die Pandemie gibt.

Hong Kongs Zero Covid Politik nimmt kein Ende. Seit fast zwei Jahren ist die Stadt aufgrund der strengen Quarantäneregeln bei Einreise faktisch abgeriegelt. Diese Maßnahmen erscheinen auf den ersten Blick zwar drakonisch, haben aber zusammen mit konsequenen Maskentragen und maßvollem Social Distancing dazu geführt, dass es in Hong Kong seit Monaten keine lokal übertragenen Covid-19-Fälle mehr gibt. Alle neuen Fälle, wurden ausschließlich bei von Übersee ankommenden Reisenden entweder direct am Flughafen oder während der anschließenden verpflichtenden Hotelquarantäne festgestellt. Die Zahl der bisher bestätigten Fälle seit Anfang der Pandemie liegt bei rund 12.400 und insgesamt 213 Toten. Zum Vergleich, in Deutschland liegt der aktuelle Durchschnitt) bei fast 60.000-70.000 Neuerkrankungen und rund 250 Toten pro Tag (Stand 28. November und die Sieben-Tage Inzidenz ist 1.350 mal höher als in Hong Kong).

 

Bild1 edited

 

Aktuell plant Hong Kong noch erste Lockerungen für den internationalen Reiseverkehr. Ab Dezember werden quarantänefreie Einreisen aus China nach Hong Kong zugelassen. Voraussetzung dafür ist natürlich eine Impfung und ein negative PCR Test. Bei der Einreise nach Hong Kong besteht nach wie vor eine zweiwöchige Quarantänepflicht in einem Hotel auch für Geimpfte. Wer aus Hoch-Risikoländern wie z.B. der Schweiz, Großbritannien und seit dem Wochenden auch dem südlichen Afrika nach Hong Kong kommt, ist diese sogar drei Wochen. Wie sich diese Regeln aufgrund der neuen Virusvariante noch weiter verschärfen könnten, ist noch nicht klar.
Neben der Quarantänepflicht bei Einreise besteht auch nach wie vor die Pflicht zum Maskentragen, nicht nur in Schulen, Universitäten, öffentlichen Verkehrsmitteln, sondern auch generell im öffentlichen Raum.

Alltag in Hong Kong

Und wenn wir Restaurants, Bars, Museen, Sportstätten oder Schwimmbäder besuchen, müssen wir uns mit der LeaveHomeSafe-App “einchecken”, so dass im Fall der Fälle die Nachverfolgung einer Covid-19-Übertragung möglich ist. Die Kombination all dieser Maßnahmen hat dazu geführt, dass Hong Kong covidfrei ist und wir hier “quasi” ohne Einschränkungen leben. Wir haben einen ganz normalen Alltag. Wir mussten auch nie in einen Lockdown gehen, mit Ausgangssperren, und der Schließung aller Geschäfte, Restaurants und Museen. Was nach zwei Jahren trotz all dieser Normalität jedoch immer schwerer fällt, ist dass wir faktisch nicht mehr reisen und unsere Familien und Freunde in der Heimat besuchen können, da wir nicht in Qurantäne wollen.

In Hong Kong ist die Impfbereitschaft bei den Ältern leider nach wie vor gering was auch eine weitere Öffnung der Stadt verhindert. Zwar gibt es zahlreiche Anreize, um die Impfbereitschaft zu steigern, jedoch ist dies schwierig, da sich die Menschen bei null lokalen Civid-19-Fällen sicher fühlen und nicht unbedingt die Notwendigkeit einer Impfung sehen. Neben der Pflicht zur Hotelquarantäne bei Einreise hat die Regierung gleich zu Beginn der Pandemie ein Quarantäne Center eingerichtet: Penny Bay. Man muss dorthin, wenn man als Kontaktperson identifiziert wurde oder ein Familienangehöriger mit Covid-19 diagnostiziert wurde. Und nach Penny Bay will niemand.

Niemand will nach Penny Bay

Freunde von mir sind gerade nach Hong Kong zurückgekehrt und sind in ihrem Quarantänehotel einquartiert worden. Am dritten Tag wurde der Ehemann mit Covid-19 diagnositiziert. Er musste sofort ins Krankenhau und ist dort erstmal für zwei Wochen. Im Anschluss muss er dann noch eine zweiwöchige Quaranäne hinter sich bringen. Sein Sohn und seine Ehefrau wurden sofort vom Hotel nach Penny Bay gebracht. Dort müssen sie jetzt drei Wochen in Quarantäne. Diese sehr strengen Qurantänerichtlinien hindern viele am Reisen. Auch ich werde das zweite Weihnachtsfest in Folge wieder in Hong Kong verbringen und nicht mit meiner Familie zu meinen Eltern nach Deutschland fliegen. Meine Kinder, beide jünger als 12 Jahre, sind noch nicht geimpft. Damit sicheres Reisen einen Schritt näher rückt, hoffen wir auf den Impfstoff für unter 12-jährige, der wird aber hier in Hong Kong noch bis März 2022 auf sich warten lassen.

Inzwischen sind viele meiner Freunden aus familiären aber auch aus beruflichen Gründen wieder gereist. Aber sie mussten alle bei ihrer Rückkehr in einem Hotel die zweiwöchige Quarantäne absitzen, was physisch und psychisch eine echte Herausforderung ist, vor allem, wenn man diese auch noch mit Kindern absolvieren muss. Doch auch finanziell ist dies eine Herausforderung. Die Hotelpreise für eine zwei- oder gar dreiwöchige Quarantäne liegen je nach Qualität des Hotels zwischen 2.000 EUR bis 8.000 EUR. Familien, die zwei Zimmer benötigen, zahlen auch bis zu 10.000 EUR für drei Wochen Quarantäne.

 

Bild2 edited

 

Es haben sich zahlreiche Gruppen in den Sozialen Medien organisiert, um sich mit Tipps und Tricks durch die Quarantäne zu helfen. Auch ein Second Hand Markt für diverse Fitnessgeräte hat sich in Hong Kong entwickelt, da Laufband, Gewichte, Fitnessrad etc. sehr gefragt sind.
Nach dem Testen am Flughafen wird man direkt ins Hotel gebracht und verlässt das Zimmer dann für zwei bzw. drei Wochen nicht mehr. Ein weiteres großes Problem der Hotelquarantäne ist das limitierte Angebot von Hotelzimmern. Es gibt nicht ausreichend Hotelzimmer und das treibt die Preise nach oben. Die Regierung deckelt die Preise nicht.

Welche Strategien verfolgen die asiatischen Staaten?

Singapur wie auch Australien und Neuseeland haben einen anderen Weg eingeschlagen und versuchen sich darauf einzustellen, mit dem Virus zu leben. Das bedeutet, dass sich diese Destinationen wieder nach und nach für die Außenwelt öffnen. Vollständig geimpfte Reisende können ab 30. April 2022 wieder in Neuseeland einreisen. Vollständig geimpfte Neuseeländer und Ausländer mit einem gültigen Visa können qurantänefrei ab 16. Januar 2022 einreisen. Ob das nun so bleibt, wird mit der neuen Variante Omikron fraglich sein. Israel hat die Grenzen schon wieder komplett geschlossen.

Singapur ermöglicht seit Mitte September sogenannte Vaccination Flüge in ausgewählte Destinationen, u.a. auch nach Deutschland. D.h. bei Rückkehr nach Singapur ist nur noch eine siebentägige Heimquarantäne notwendig. Ob dies jedoch vor dem Hintergrund der sehr hohen Fallzahlen in Deutschland so bleibt, ist fraglich. Die australische Fluggesellschaft Qantas bereitet sein Personal darauf vor, langsam wieder an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Ab Mitte Januar 2022 sollen wieder mindestens 12 internationale Destinationen angeflogen werden.

Auch Kambodscha hat seine Grenzen seit dem 15. November für geimpfte Reisende wieder geöffnet. Einzige Maßnahme bei der Einreise ist ein Antigen-Test. Thailand erlaubt die Einreise für geimpfte Reisende via Test & Go. D.h. bei Einreise wird ein RT-PCR Test gemacht und und dann geht es in eine kurze Isolation bis das Testergebnis klar ist. Auch Südkorea bewegt sich Richtung Öffnung, nachdem in den letzten Wochen die Infektionszahlen pro Tag mehr als 40 % nach unten gegangen sind.

China hält dagegen auch weiterhin an der Zero-Covid-Politik fest. In China sind bisher weniger als 5.000 Menschen an Covid verstorben. Wann China sich wieder öffnen wird, weiß niemand. Peking hat gerade wieder seine Covidmaßnahmen verschärft, da neue Covidfälle aufgetreten sind. Die Stadt bereitet sich intensiv auf die Olympischen Spiele vor und bis dahin wird es sicherlich auch keine Öffnung geben.

Doch es gibt erste Anzeichen der Öffnung. Guangzhou hat in kürzester Zeit eine riesige Qurantäneeinrichtung mit 5.000 Zimmern gebaut, in der international Reisende und Einheimische, die aus Hochrisikoländer kommen, untergebracht werden. Bisher waren lediglich ausgewählte Hotels als Quarantänemöglichkeit vorgesehen. Diese Hotels werden in Zukunft dann wieder für den Tourismus freigegeben.

Verwunderung über Europa

Mit viel Verwunderung haben wir im Sommer nach Europa und in die USA geschaut. Die Impfraten gingen nach oben, die Covidzahlen gingen nach unten und die Maßnahmen, wie z.B. die Pflicht zum Maskentragen, wurden relativ zügig aufgehoben. Man hatte den Eindruck, es ging zurück in die “alte und gewohnte” Normalität. Die Buchungszahlen im Tourismus gingen schnell wieder nach oben, es wurde gefeiert und gereist. Die Lufthansa verzeichnete Anfang November zum ersten Mal seit dem Start der Pandemie wieder einen Quartalsgewinn. Die Fluggesellschaft vermeldete mit der Öffnung der US Grenzen am 8. November einen Boom an Buchungen.
Auch die englische Fluggesellschaft Wizz veröffentlichte gute Zahlen. Die Fluggastzahlen im Sommer waren fast wieder auf Pre-Covid Niveau. Der Flugverkehr nahm wieder Fahrt auf, doch damit auch leider die Zahl der Covidfälle. Den Preis für einen relative unbeschwerten Sommer bezahlt Europa jetzt im Herbst. Im Nachhinein zeigt sich, dass sich der vermeintliche Weg zurück in die Normalität katastrophal auf die Gesundheitssysteme auswirkt.

Die vierte Welle hat Europa fest im Griff und die Impfrate reicht nicht aus, den Verlauf zu stoppen. Die neue Omikron Variante droht die ohnehin schon prekäre Lage noch weiterzu verschärfen. Einen Lockdown will die Politik in Deutschland vermeiden, man ist einfach covidmüde. Ob sich das jedoch verhindern lässt, ist mehr als fraglich. So ist Österreich seit dem 22. November im Lockdown, was sich katastrophal auf die anstehende Skisaison auswirken kann, wenn er zu lange dauert. Eine generelle Impfpflicht soll es ab Februar 2022 geben. Auch die Niederlande haben einen Lockdown verhängt, um die vierte Welle zu brechen.

Doch nicht nur in Europa hat es die Tourismusbranche schwer, gleiches gilt auch in Indien und Südostasien wie Vietnam, Indonesien und den Philippinen. Internationaler Tourismus findet so gut wie gar nicht statt und inzwischen ist in diesen Ländern auch der Inlandstourismus schwer getroffen,.

Nur mit einer Kombination aller Maßnahmen, sprich mit sehr hohen Impfraten, stetigem Testen, hohen Hygienemaßnahmen und mit notwendiger Quarantäne bzw. Selbstisolation, werden wir erfolgreich die Pandemie bekämpfen. Nur Impfen allein reicht nicht, nur Testen allein reicht nicht und nur strenge Quarantäne und Abriegeln des Landes funktionieren langfristig auch nicht. Nur gemeinsam und abgestimmt, auch über Landesgrenzen hinweg, können wir es schaffen. So lange wir nicht alle die notwendigen Maßnahmen, die wir ja alle mittlerweile kennen, konzertiert, konsequent und diszipliniert umsetzen, wird der Weg aus der Pandemie noch ein sehr langer sein.

Im Moment fühlen sich viele der von den einzelnen Länder verfolgten Covidstrategien wie ein gefragtes Angebot in Hong Kong an: Eine dreitägige Kreuzfahrt mit den Namen “Cruise to Nowhere”. Die Lernkurve scheint seit knapp zwei Jahren leider fast immer noch bei Null zu sein. Sollte sich daran nichts ändern, werden wir mit der Pandemie noch sehr lange zu tun haben.

 

AndreaSpringmann PortraitStay safe everybody!
Andrea

 Fotos: Andrea Springmann