Brief aus Hong Kong #8: Wie es auch ohne Lockdown geht und was Taiwan besser macht

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Brief aus Hong Kong, Andrea Springmann

 

Hong Kong schafft es auch ohne Lockdown, sogar Restaurants und Hotels bleiben geöffnet. Und auch Taiwan hat eine erfolgreiche Strategie. Was machen sie in Asien anders als bei uns?

Seit mehr als zweieinhalb Monaten haben wir eine quasi Covid-freie Zeit, d.h. weniger als 10 Fälle pro Tag und die letzten Tage gibt es außerdem keine neuen lokal übertragenen Fälle.

Wir hatten hier in Hong Kong gerade Herbstferien und waren zwei Tage im Disneyland. Der Park hat unter sehr strengen Auflagen wieder geöffnet. Man muss seinen Parkbesuch vorab reservieren, d.h. es wird nur eine bestimmte Personenanzahl pro Tag in den Park gelassen und dazu ist der Park dienstags und freitags für eine gründliche Säuberung geschlossen.

Kein Lockdown

HongKong 8 Bild1Nach der dritten Welle atmen wir hier auf. Unser Sommer war hart und wir hatten strenge Maßnahmen aber zu keinem Zeitpunkt einen Lockdown und Ausgangssperre, wie er jetzt wieder in vielen Ländern Europas ausgerufen wurde. Das war in Hong Kong und auch in anderen asiatischen Ländern nie notwendig. Trotz der geringen Zahl neuer Covidfälle, gilt hier weiterhin Vorsicht und die Sorge vor einer vierten Welle ist groß. Masken werden konsequent getragen, Social Distancing wird eingehalten z.B. in Restaurants nicht mehr als sechs Personen an einem Tisch, entsprechender Abstand wird gewährleistet, Temperaturmessungen vorm Betreten von Restaurants, Hotels, Museen, Einzelhandel usw., Angaben für eine persönliche Nachverfolgung in Restaurants und Hotels.

Auch die Schulen haben sich im Sommer auf die neue Situation eingerichtet. Social Distancing wird in den Klassenräumen gewährleistet, Maske tragen ist Pflicht und hohe Hygienstandards werden auch dort konsequent umgesetzt. Alle Strände wurden im Juli geschlossen und werden nun erst am 3. November wieder zugänglich gemacht.

Neue Hygienekonzepte: Gastgewerbe muss nicht schließen

Seit Februar setzen hier alle konsequent neue Hygienekonzepte um, insbesondere die Beherbergungsbranche und Gastronomie. Das Personal wurde entsprechend geschult. Am Anfang der dritten Welle im Juni wollte die Regierung zunächst auch Gastronomiebetriebe komplett schließen. Allerdings wurde bereits nach einem Tag der angeordeten Schließung diese Maßnahme wieder zurückgenommen. Sie hatte sich als zu weitreichend und nicht zielführend herausgestellt, und die Regierung hat auf die Einwendungen der Leistungsträger gehört. Die hiesige Hotelbranche wird hier als Partner für die notwendige Durchführung der Quarantäne angesehen und eingesetzt. Mehr als 34 Hotels sind offizielle Quarantänepartner der Regierung.

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Eine weitere und unabdingbare Maßnahme, auch wenn sich die Fallzahlen nach unten entwickeln, ist das konsequente Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. In Hong Kong tragen 100% der Leute Maske, wenn sie im öffentlichen Raum unterwegs sind. Und das obwohl die Fallzahlen verschwindend gering sind.

Berlin erregt Aufsehen

Um das konsequente Maskentragen zu bewerben, hat Visit Berlin eine pfiffige und wie ich finde großartige Kampagne eingesetzt. In der Stadt hängen Plakate mit einer älteren Dame die einen Mund-Nasen-Schutz trägt und die den Mittelfinger zeigt. Bloßstellen der Maskenverweigerer. Eine Freundin aus New York hat den Bericht auf BBC gelesen, war sichtlich beeindruckt, und hat ihn gleich mit mir geteilt. Die Kampagne ist authentisch, spielt mit der Berliner Schnauze und bewirbt zugleich die absolute Dringlichkeit des Mund-Nasen-Schutzes.

Reiseverkehr findet in der Asien-Pacific Region kaum statt. Und wenn, dann nur unter sehr strengen Auflagen und zwei Wochen Quarantänepflicht bei Ankunft oder Rückkehr. Gebannt und mit großem Staunen haben wir hier im Sommer nach Europa geschaut. Mehr oder weniger unbeschwertes Reisen, kaum oder so gut wie keine Sicherheitsmaßnahmen wie z.B. konsequentes Maskentragen und Social Distancing, keine standardisierten Testverfahren an Flughäfen, keine Qurantänepflicht bei Rückkehr und zwar egal von wo kommend.

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Travel Bubbles in der Region

Endlich werden die angekündigten Travel Bubbles in der Region umgesetzt, d.h. ohne die erforderlichen zwei Wochen Qurantäne.
Die ersten Passagiere aus Neuseeland sind in Australien gelandet. Es war ein Flug zwischen Aukland und Sydney. Aktuell funktioniert die Travel Bubble nur Richtung Australien. Neuseeland aktzeptiert nach wie vor noch keine Ankünfte von Nicht-Neuseeländern. Neuseeland hat wie viele andere Länder in der Region seine Grenzen geschlossen.

Hong Kong und Singapur haben vor 10 Tagen eine bilaterale Air Travel Bubble (ATB) vereinbart. Der Kern der Travel Bubble Vereinbarung wird sein, dass man zwischen den Destinationen reisen darf, ohne die zweiwöchige Qurarantäne bei Ankunft und/ oder Rückkehr machen zu müssen. In den nächsten Wochen arbeiten beide Destinationen konkrete Regeln für die Vereinbarung aus. Zentral wird sein, sich auf die Testverfahren und gemeinsame Labortestergebnisse zu einigen und diese gegenseitig anzuerkennen. Hong Kong möchte im Anschluß weitere Travel Bubbles u.a. auch mit der Schweiz und Deutschland einrichten.

Wirtschaftliche Folgen

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zeigen sich nach und nach nun deutlich. Die zweite Marke von Cathay Pacific, Cathay Dragon, hat ihren Betrieb vor ca. 2 Wochen von heute auf morgen komplett eingestellt. Es wurden fast 6.000 Airline Mitarbeiter entlassen. Die Regierung reagierte und bietet den entlassenen Mitarbeitern Umschulungsmaßnahmen zu Pflegekräften im Gesundheitswesen an.

Um Covid-19 einzudämmen und den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren, müssen die Länder voneinander lernen. Neuseeland, Australien, China, Südkorea, Taiwan, Thailand, Vietnam, Japan, Singapur und Hong Kong haben ähnliche Strategien, welche sich in gleichen Regeln und Maßnahmen zeigen und sich nach vielen Monaten auch als richtig in der Eindämmung von Covid beweisen.

Ein besonderes Beispiel ist Taiwan. Es gibt dort seit mehr als 200 Tagen keine neuen lokal übertragenen Covidfälle und das bei insgesamt 23.8 Millionen Einwohnern (soviel wie in Bayern und Baden-Württemberg zusammen). Seit Beginn der Pandemie gibt es in Taiwan insgesamt nur 558 gemeldete Fälle und 7 Tote.

Was ist das Erfolgsgeheimnis von Taiwan?

Taiwan reagierte zu Beginn der Pandemie schnell, schloss die Grenzen und schränkte weitere Mobilität zügig ein. Taiwan hat ein Central Command Centre (CECC) eingerichtet und zwar schon gleich im Januar. Das CECC koordiniert die verschiedenen Ministerien und Ämter landesweit. Des Weiteren koordiniert das CECC die Datenanalysen, alle Covidtests, Qurantäneregelungen und Contact Tracing. Seit Ende März, müssen alle, die in Taiwan ankommen, 14 Tage in Quarantäne.

Taiwan startete auch sofort mit der Produktion von Masken. In 25 Tagen hat man 60 Produktionsstätten eingerichtet und kann nun über 20 Millionen Masken pro Tag produzieren. Die Öffentlichkeit kann mit der Regierung via vTaiwan, einer virtuellen Plattform, kommunizieren. All dies trägt dazu bei, einen breiten Konsens für die Maßnahmen und Regeln zu bekommen. Eine “Face Mask” App war einer der Vorschläge, der sich aus der vTaiwan Plattform heraus entwickelt hat. Die App wurde in Kooperation mit dem Digital Ministerium, einer Gruppe von Entrepreneurs und Hackern entwickelt.

Politische Entscheidungsträger müssen schauen, was in anderen Ländern funktioniert, diese Maßnahmen an die Verhältnisse im eigenen Land anpassen und entsprechend einführen. Es gibt inzwischen viele Best Practice Beispiele und diese gilt es unabhängig des kulturellen und politischen Hintergrunds zu adaptieren.

Ich wünsche euch allen viel Kraft für die nächsten Wochen. Bitte einen Mund-Nasen-Schutz tragen, Social Distancing und hohe Hygienstandards einhalten und auch beibehalten. Es hat sich hier bewährt.

 

AndreaSpringmann Portrait

Stay safe everybody!
Andrea

 

 Foto: Andrea Springmann