Carolin Deberling: "Tatsächlich gibt es keine Tourismuskrise..."

Geschrieben von Carolin Deberling am . Veröffentlicht in Lernkurve (Zukunftsblog)

Carolin Deberling

 

Carolin Deberling mit einem Ausblick auf touristische Kommunikation und Vertrieb und die Situation der gesamten Branche

Richtig agieren und reagieren in und nach der Krise: Wie machen wir das? Wir haben unsere Partner gefragt, die Unternehmen, die unsere Ressorts unterstützen und für diese eine besondere Kompetenz aufweisen. Von ihnen wollten wir wissen, wie sich die Krise

  • kurzfristig, also jetzt,
  • nach dem Lockdown, also im wiedererreichten Normalzustand,
  • sowie langfristig auswirken wird?

Wir starten heute mit Carolin Deberling von der Gruppe Drei GmbH, die uns einen Ausblick auf Kommunikation und Vertrieb in und nach der Corona-Krise geben wird.

 

Wie wird sich die aktuelle Krise kurzfristig auf die touristische Kommunikation und den Vertrieb auswirken? Wie auf die gesamte Branche?

Carolin Deberling: Zunächst muss man sagen, dass in Baden-Württemberg und vermutlich auch anderswo kurzfristig eine gewisse Schockstarre überwunden werden muss, denn immerhin sind die getroffenen Verordnungen zunächst bis zum 19. April gültig. Das ist eine lange Zeit! Zudem ereignet sich gewissermaßen eine Zwangs-Singularisierung, die das Interesse an Geselligkeit auf Null reduziert.

Grundsätzlich wird sich mittel- und langfristig die Sehnsucht der Menschen nach ein paar erholsamen Tagen in einer anderen Umgebung und mit einem anderen Erlebnisprofil aber nicht ändern. Im Gegenteil! Nach einer bestimmten Zeit und Normalisierungsphase wird die Nachfrage wahrscheinlich größer sein als vorher.

Allen Tourismusanbietern kann man nur dringend ans Herz legen, jetzt die Zeit zu nutzen, um ihre Kommunikationskanäle zu prüfen, gegebenenfalls zu optimieren und mit kreativen Marketing- und Kommunikationsprofis zusammen nachzudenken, wie in Zukunft das jeweilige Angebot emotional und technisch besser an den Markt gebracht werden kann.

Dazu zählen zum Beispiel:

  1. Vertriebsstrukturen und Vertriebssysteme analysieren und anpassen
    • Das ist auf digitalen Wegen auch sofort anzugehen.
  2. Produkt- und Angebotspalette analysieren, Zukunftsszenarien ermitteln und eventuelle Zukunftsfelder entwickeln
    • Interne Zukunftsgruppen gründen.
  3. Markenüberprüfung, Werteüberprüfung und Unternehmenshaltung (Purpose)

  4. Aktuelle digitale Kanäle ausweiten und verbessern
    • Wie ist es mit Ihrem Storytelling, wie ist Ihr Auftritt in den sozialen Kanälen & sind Sie in den relevanten Plattformen präsent?
    • Benötigt es einen Online-Shop, bieten Sie digitale Vertriebslösungen, Webinare etc.
  5. SEO- und SEA-Maßnahmen
    • Neben Google ist hier auch Youtube als mittlerweile zweitgrößte Suchmaschine der Welt ein entscheidender Vertriebskanal.
  6. Digitale Services aus- und aufbauen
    • Chatsysteme, digital basierte Produktpräsentationen sowie Produktschulungen etc.
  7. klassische Kommunikationsmaßnahmen
    • Kommunikative Lösungen "für danach" bereits jetzt planen, konkretisieren und vorbereiten.

Welche Maßnahmen sollten unmittelbar nach Ende der aktuellen Krise, also im Falle einer Rückkehr in den "Normalzustand", ergriffen werden? Sowohl in der Kommunikation und imVertrieb als auch für die gesamte Branche?

Carolin Deberling: Grundsätzlich sollten in aller Ruhe noch einmal die Marktdaten reflektiert werden – sie verändern sich ja nicht: Demografie, Mobilität, Klima usw... Es ist davon auszugehen, dass sich die Menschen in der Krise noch weiter mit den digitalen Möglichkeiten angefreundet haben bzw. das Internet als „bequemes Medium“ erlebt haben. Diese Erkenntnis wird bleiben. Von einer forcierten Nutzung dieses Mediums ist daher auszugehen.

Diese Erkenntnis alleine führt aber noch nicht weiter, denn das Medium Internet ist auch nur so gut, wie es gefüttert, wie es konzipiert und schließlich programmiert wird. Nichts ist schlechter für die Branche als inhomogenes Marketing und inhomogene Kommunikation. Potenzielle Gäste spüren in wenigen Sekunden, ob eine Region, eine Stadt, Destination, ein Hotel, eine Gaststätte, ein Campingplatz usw. authentisch daherkommen oder nicht. Auffindbarkeit, plausible Handhabung, gute Bilder und Videos sowie interessante Inhalte und Stories werden entscheidenden Einfluss auf den Erfolg haben.

Wie wird sich die Corona- und Tourismuskrise langfristig auf die touristische Kommunikation und den Vertrieb und auf die gesamte Branche auswirken?

Carolin Deberling: Das Corona-Virus ist eine Bedrohung für Leib und Leben. Die daraus entstehenden Probleme stellen sich als „Krise“ dar. Tatsächlich gibt es keine Tourismuskrise, es gibt einfach die Angst vor der Bedrohung und in der Folge eine logische und richtigerweise verordnete Zurückhaltung. Grundsätzlich aber wird es nach dem Abflachen der realen Bedrohungssituation und der damit verbundenen Angstkulisse wieder zu touristischen Aktivitäten kommen. Tendenziell wird dabei von deutschen Urlaubern zunächst auf 3-5 Jahre der Inlandstourismus bevorzugt werden. Natur und Kultur werden im Fokus stehen. Je nachdem, wie viel Geld die Menschen durch das Virus verlieren werden, könnten ambitionierte Wellness- und Genuss-Urlaube leichte Rückgänge zu verzeichnen haben.

Carolin Deberling ist stellvertretende Geschäftsführerin der GRUPPE DREI® GmbH und dort zuständig für "Strategische Beratung"
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