Das Märchen von Matthias Horx und was wirklich auf uns zukommt

Geschrieben von Matthias Burzinski am . Veröffentlicht in .deBlog

Storytelling, Corona

 

In den letzten Tagen machte ein Blogbeitrag von Matthias Horx die Runde, in der er mit der Methode der so genannten Re-Gnose unsere Welt nach Corona im Herbst 2020 skizzierte. Nun muss man im Prinzip über die seherischen Fähigkeiten von Matthias Horx nicht viel Worte verlieren, außer dass er vor einigen Jahren dem Internet die Tauglichkeit als Massenmedium absprach und facebook für nicht zukunftsfähig hielt. Nun ja. In diesem Fall jedoch sind seine Auslassungen doppelt ärgerlich.

Zugutehalten sollte man ihm, dass er frühzeitig die Tragweite der aktuellen Umwälzungen durch das Coronavirus erkannt hat – und es geschickt in einen Promotext für seine Methodik der Visionsentwicklung verpackt hat. Und dass er einen sehr emotionalen Nerv der orientierungslosen Menschen getroffen hat, die zu diesem Zeitpunkt von der ganzen Wucht der Ereignisse schier an den Rand der seelischen Ertragbarkeit gedrückt wurden. Doch genau damit beginnt auch schon das Problem, das zumindest ich mit dem Inhalt habe.

Ein Märchen

Denn bei der so genannten Re-Gnose handelt es sich letztlich um ein gefühliges Märchen, das zwar einige kluge Gedanken enthält und vielleicht auch ein paar richtige Prognosen, doch in Gänze einen entscheidenden Fehler begeht: Es verwechselt persönliche Projektion mit Prognose. Wir sehen hier die Welt, wie Matthias Horx sie sich nach Ende der Krise wünscht. Und da Matthias Horx ein ausgesuchtes Milieu unserer Gesellschaft repräsentiert, trifft er den Nerv vieler Menschen, die sich in dieser besonderen Filterblase bewegen.

Ich habe in den letzten Jahren in meinen Workshops und Vorträgen immer wieder darauf hingewiesen, dass ich mit Beratern*innen und Speakern*innen vorsichtig wäre, die ein genaues Bild der Zukunft vorhersagen oder vermitteln wollen. Dies war meist auf die Digitalisierung bezogen, die uns schon zu oft überrascht hat, als das genaue Prognosen (oder von mir aus auch Re-Gnosen) hier möglich wären.

Dem entsprechend würde ich hier meine Warnung exponentiell ausweiten. Ja, ich fände es auch schön, wenn viele der Pro- oder von mir aus auch Re-Gnosen von Herrn Horx wahr würden, aber sie werden es nicht, zumindest nicht für alle. In einem bin ich mir nämlich vergleichsweise sicher. Die Folgen der Coronakrise werden von den Menschen nicht einheitlich und gleich interpretiert werden.

Viele werden einen geliebten Menschen durch Covid19 verlieren, andere ihren Job, ihre Existenz, wieder andere ärgern sich nur, dass sie einige Monate um Klopapier kämpfen mussten, mal eine längere Zeit nicht reisen konnten. Der eine freut sich über viel Zeit bei der Familie, die andere kann wochenlang ihre Freunde nicht treffen etc. etc. Wir bleiben Individuen, bewegen uns in unseren Milieus, werden individuelle Erfahrungen mit der neuen Situation machen. Deswegen erlaube ich mir eine Prognose, die in nicht allzu ferne Zukunft ausgreift und den Duktus von Horx gerne aufgreift: Ja, wir „werden uns wundern“, nämlich darüber, dass wir derartige Texte für bare Münze genommen haben.

Was wird sein?

Was wirklich auf uns zukommt? Ich weiß es nicht, wir wissen es nicht, aber wir müssen es herausfinden – kollektiv und persönlich. Es wird Folgen geben, die wir alle spüren, andere nur individuell. Einige werden globaler Natur sein, andere lokaler. Schon der Zeitpunkt, zu dem Horx seine Re-Gnose setzt, ist Unsinn. Im Herbst 2020 werden wir längst noch nicht alle Folgen kennen.

Was wir brauchen, ist ein iterativer Erkenntnisprozess. Das tägliche Dazulernen, begleitet von Beobachtung, Forschung, Analyse, Interpretation, Selbstreflexion und Selbst-Korrektur. Das, was uns die großartigen Virologen*innen und Epidemiologen*innen täglich vorleben.
Was wird aus dem System Tourismus? Welche Auswirkungen haben die erwartbaren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen auf das Reiseverhalten und die Werte der Menschen? Welche Angebote und Erlebnisse werden die Menschen suchen? Wie verändern sich Strukturen, Finanzen, Budgets? Wie internationale Reiseströme? Es ist noch nicht absehbar.

Deshalb werden wir versuchen Sie in diesem Prozess zu begleiten. Dabei werden wir – das steht fest - verschiedene Phasen der Erkenntnis durchlaufen. Und wir werden Fehler machen, Dinge falsch interpretieren, lernen, anpassen. Als erstes haben wir unsere Partner gefragt, die Unternehmen, die unsere Ressorts unterstützen, welche Folgen sie kurz-, mittel- und langfristig sehen. Auch sie werden in einigen Einschätzungen falsch liegen. Und wir werden es ihnen nachsehen, so wie wir es auch Matthias Horx verzeihen, dass er uns ein schönes Märchen erzählen wollte.

 

Bild: https://pixabay.com/de/illustrations/erz%C3%A4hlung-geschichte-traum-erz%C3%A4hlen-794978/